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„Wie ein Botschafter von Wien“ – der Opernball und die Sehnsucht nach der K.u.K.-Zeit

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Am letzten Donnerstag im Februar findet der Wiener Opernball statt. Er ist ein Glanzlicht der Ballsaison in Österreich. Staatsoperndirektor Dominique Meyer spricht mit unserer Zeitung über seine Rolle als Verantwortlicher, als Gastgeber und als Veränderer.

Herr Direktor Meyer, die Organisation des Opernballs ist alljährlich eine große Herausforderung. Welche Veränderungen fanden in Ihrer Ära statt?

Ich habe einiges eingebracht. Etwa, dass das Staatsopernorchester (Anm: die Musiker bilden in Personalunion die Wiener Philharmoniker) an diesem Abend während der Eröffnung auftritt. Aus meiner Zeit als Vorstand des Filmfestivals von Cannes habe ich einige Ideen für die Gestaltung und Organisation des roten Teppichs im Eingangsbereich übernommen. Die neue Opernballorganisatorin Maria Großbauer hat ebenso mit mir gemeinsam einiges verändert. Es gibt viele kleine Restaurant-Ecken, eine Weinbar mit Österreichs besten Weinen und eine moderne Kristall-Bar. Außerdem werden die Swarovski-Krönchen des Jungdamen-Eröffnungskomitees von einem internationalen Couturier designt. Karl Lagerfeld hat den ersten Entwurf gemacht, ihm folgten Dolce&Gabbana und heuer Donatella Versace als Designer.

Sie haben offenbar aufgeräumt.

Ich wollte dem Ball wieder eine Würde geben, und ich wollte, dass der Opernball wieder ein Ball der Künstler wird. Das war die Idee, und ich habe mit Maria Großbauer wirklich eine gute Partnerin gefunden. Sie brennt für die Oper, und ich fühle mich an diesem einen Tag wie ein Botschafter von Wien.

Wie sieht die Funktion des Gastgebers und Opernballdirektors konkret an diesem Abend aus?

Vor Beginn des Opernballs gehe ich ins benachbarte Hotel Sacher, um die Ballgäste zu begrüßen. Danach kehre ich zurück in die Oper und beginne mit einer Ansprache vor den Polizisten, Billeteuren und Kellnern. Ich empfange die österreichische Regierung, den Bundeskanzler und den Bundespräsidenten, begrüße das Fernsehpublikum und verfolge dann die Eröffnung vom Stehparterre aus. Danach besuche ich mit den Künstlern die Staatsspitze in ihren Logen. Gemeinsam geht es anschließend zum Künstlerempfang und einem weiteren Empfang in die Künstlerlounge im vierten Stock der Oper. Ich besuche auch Gäste in den Logen. In der Nacht gibt es in meinem Büro einen kleinen Empfang für ausgewählte Gäste. Wir trinken ein gutes Glas Wein. Dann gehe ich zum Ballorchester und moderiere die dritte und letzte Quadrille um 4 Uhr früh.

Tanzen galt einst als politisches Signal. Gilt der Wiener Walzer heute immer noch als politisches Statement?

Nein, der Ball ist das Zusammenspiel zwischen Moderne und Tradition. Und es hat vielleicht auch etwas zu tun mit der Sehnsucht nach der historischen Vergangenheit – mit der „schönen alten“ K.u.K.-Zeit. (lacht).

Wie sieht es mit der Bedeutung des Opernballs national und international aus? In welchen Ländern wird der Ball sehr stark wahrgenommen?

National ist der Opernball sehr stark. Der Marktanteil der Fernsehübertragungen beträgt knapp 50 Prozent jedes Jahr. Kein Fußballmatch erreicht das. Wenn man am Abend des Balls in die Straßenbahn einsteigt, sieht man viele Menschen, die in Tüten Champagner haben, weil sie sich daheim den Ball im Fernsehen ansehen. Die TV-Übertragung ist auch in Deutschland und in der Schweiz zu sehen. Es gibt auch Interesse seitens der Japaner und der Franzosen. Überhaupt ist eine vermehrte internationale Aufmerksamkeit wahrzunehmen, etwa auch in Italien, Großbritannien, den USA oder in Asien.

Gilt der Opernball noch immer als der „Ball der Bälle“ in Österreich? Und in Europa?

Ja, eindeutig. Aus mehreren Gründen: einerseits, weil dieser Ball in der Wiener Staatsoper stattfindet. Die Verwandlung der Staatsoper für den Ball ist massiv und prachtvoll zugleich: Das Haus wird an einem Tag innen umgebaut, mit einer Tanzfläche und unterschiedlichen Lounges. Andererseits, weil die besten Künstler der Welt in der Eröffnung auftreten. Und vergessen Sie nicht: Gut 7200 Personen befinden sich an diesem Abend in der Staatsoper. Rund 2100 arbeiten, etwa 5100 sind Gäste. Dann gibt es das offizielle Österreich, die Regierung ist anwesend, und die Nationalhymne wird gespielt.

Wie sieht es mit dem Anteil der deutschen Gäste und der Franzosen auf dem Ball aus? Gibt es dazu Statistiken?

Das größte Kontingent an internationalen Gästen kommt jedes Jahr aus Deutschland, aus Frankreich kommen wenige. Direktoren großer deutscher Unternehmen sind an diesem Abend in Wien. Der Ball hat eine unglaubliche Ausstrahlung. Wenn die Gäste zum ersten Mal kommen, sind sie überrascht. Sie glauben nicht, was sie sehen. Danach haben sie nur noch einen Gedanken, nämlich: zurückzukommen.

Ist der Opernball immer noch ein Wirtschaftsfaktor für die Staatsoper?

Ja, natürlich. Viele Logenkäufer sind Donatoren. Sie unterstützen die Oper mit einem Förderbeitrag über eine Saison. Eine Rangloge kostet 23 600 Euro – hinzu kommen noch die Eintrittskarten. Es werden knapp fünf Millionen Euro an diesem Abend eingenommen.

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Welche Künstler werden heuer am Opernball auftreten?

Anna Netrebko wird heuer gemeinsam mit ihrem Mann Yusif Eyvazov auftreten. Darauf freue ich mich bereits sehr.

Wie sieht das Zusammenspiel zwischen Politik, Wirtschaft und Kunst am Opernball aus? Werden wirklich noch wichtige wirtschaftliche Deals abgeschlossen?

Der Opernball ist ein Ball der Begegnung und des Gesprächs, wo die Vertreter dieser verschiedenen Branchen und Ebenen sich treffen. Das ist gut so. Immerhin findet der Ball in der Wiener Staatsoper statt – sie ist ein wichtiger Bestandteil des Kulturlebens in diesem Land. Die Menschen wissen das. Mein Wunsch ist lediglich, dass es gute Verbindungen zwischen Kultur, Politik und Wirtschaft gibt.

Was sind die Besonderheiten auf dem Opernball 2019?

Es gibt viel Neues. Neben Anna Netrebko und Yusif Eyvazov – ich bin nach wie vor ein Opernnarr – freue ich mich sehr auf das Orchester unter der Leitung von Marco Armiliato und auf die Darbietungen des Staatsballetts. Es gibt heuer erstmals eine Lichtkunstinstallation auf der Fassade des Hauses anlässlich des Jubiläums der Wiener Staatsoper – vor 150 Jahren wurde das Opernhaus am Ring eröffnet. Die Gardemusik wird erstmals am Red Carpet aufmarschieren und spielen, einige Räumlichkeiten wurden umgestaltet. Es werden einige Dinge geschehen, die ich noch nicht verraten möchte, denn es soll ja auch einen Überraschungseffekt geben.

Was war Ihr schönster Opernball-Moment in all den Jahren?

Es sind kleine Dinge, die schön waren. Etwa wenn unsere Solotänzerinnen und Solotänzer, die ich ganz von der Nähe erlebe, wenn ich bei der Eröffnung am Parkett stehe, an mich herankommen beim Tanzen. Manchmal gibt es einen Blick dieser Tänzer. Sie sehen mich an, als ob sie für ihren Papa tanzen würden. Meine schönsten Momente sind, wenn ich sehe, wie stolz sie bei ihrer Arbeit sind. Denn dann denke ich, wir haben es gut gemacht …

Interview: Judith Grohmann

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