Politik

Söders Kurzbesuch bei den Pendlern

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Bahn-Pendler, zumindest für zehn Minuten: Der Ministerpräsident steigt unangekündigt in einevolle S-Bahn. Drei Stationen später ist der Erkenntnisgewinn gering. Immerhin: Es wird einen ÖPNV-Gipfel geben.

München – 7.59 Uhr am Ostbahnhof, auf den ersten Blick ist hier alles wie immer. Ein Obdachloser schläft in der Sparkasse, die Zirbelstube bietet die erste Halbe Hacker-Pschorr an, der Donut-Laden öffnet, Pendler hasten vorüber. Nur vor Bäcker Müller sammelt sich ein seltsames Grüppchen: Herren in Anzügen, andere mit Kameras, auffällig viele Polizisten in Uniform und zivil. Zwei Minuten später nähern sich dunkle Limousinen. Der ersten entsteigt Markus Söder.

Markus Söder: Ticketpreis macht ihn stutzig 

Der Ministerpräsident hat vor, sich unter die Pendler zu mischen. Nicht spontan, die Staatskanzlei hat seit Wochen unter Geheimhaltung minutengenaue Ablaufpläne entwickelt, aber zumindest unangekündigt. Es soll ein Zeichen sein, die Bahn-Pendler und ihre Sorgen ernst zu nehmen – seit Tagen wieder stehen sie jeden morgen an den S-Bahn-Außenästen, frierend, weil Züge ausfallen, verspätet und überfüllt sind.

Der Tross vom Treffpunkt Bäcker setzt sich in Bewegung, Söder schreitet voran zum Fahrkartenautomaten im Zwischengeschoß. „Zone 1?“, fragt er. Ja, eine Zone nur, und die kostet 2,90 Euro. „Ist viel Geld“, murmelt der Ministerpräsident und zahlt. Oben, an Bahnsteig 1/2, bekommt er in der Kälte zumindest einen Hauch von Pendler-Gefühl: „Zug fällt aus“, steht auf dem Bildschirm, die nächste S-Bahn zur Innenstadt in sechs Minuten. „Ich weiß, dass unsere Pendler eine Menge leiden“, sagt Söder.

Die meisten Pendler erkennen Söder scheinbar nicht 

Es wird die S4 nach Geltendorf, gut voll, Söder schiebt sich in den Mittelgang. Es ist einer dieser Momente, über dem die Staatskanzlei-Beamten wohl lange brüteten: Werden ihn erboste Pendler zur Rede stellen? Erkennen ihn Pöbler? Nichts passiert: Müde schauen die Fahrgäste vor sich hin, einer verkriecht sich hinter der Zeitung, keiner spricht. Viele achten nicht auf Söder, mancher mag ihn nicht erkennen. „Ja, hier ist es kuschelig“, sagt Söder, dabei ist das Gedränge für Mittwochmorgen eher mild. Ein junger Mann spricht ihn schließlich an, klagt über den 20-Minuten-Takt auf der S2. Ein kurzer, freundlicher Dialog. Nach drei Stationen ist schon wieder Schluss: Am Marienplatz steigt Söder aus.

Echte Pendler-Probleme bleiben Söder erspart

Es ist ja eine Art Premium-Pendeln, was Söders Entourage da veranstaltet. Beamte haben Becher organisiert, weil in den ersten Ablaufplänen der Staatskanzlei für 8.01 Uhr „Coffee-to-go-Kaufen (optional)“ verzeichnet war. Die halbe Bahn-Spitze aus Bayern glaubt, den Herrn Ministerpräsidenten nicht allein S- Bahn fahren lassen zu können. Auch ein halbes Dutzend DB-Sicherheitsleute in gelben Westen schützt den Bahnsteig, fünf Bundespolizisten steigen „zufällig“ in diese S4 ein, dazu die regulären Personenschützer des Ministerpräsidenten. Die echten Pendler-Probleme bleiben ihm erspart: gebrochene Weichen, Signalstörungen, keuchhustende Sitznachbarn oder die osteuropäische Bettelgruppe, die stets geruchs- und geräuschintensiv in der U2 zum Hauptbahnhof fährt.

Zu Söders Gunsten ist zu sagen: Er fährt öfter Zug, auf der Strecke Nürnberg-München kann man ihn häufig im ICE finden, weil die Autobahn A 9 auch für Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzende oft verstopft ist. „Zugfahren ist immer eine Bürgersprechstunde“, sagt er.

Seine Botschaft heute: Söder verspricht einen Nahverkehrs-Gipfel im März mit Politik, Bahn und den Verkehrsverbünden aus ganz Bayern. „Das ist ein Top-Thema unserer Regierung.“ Er ruft zudem Staat, Stadt München und Landkreise in Oberbayern auf, besser zusammenzuarbeiten. „Gerade im Ballungsraum München muss man ein größeres Kooperationsbewusstsein bekommen.“ Der Druck durch Bevölkerungswachstum in Stadt und Umland steige. „Es muss mehr Miteinander geben“, mehr Ingenieure und „weniger Ideologie“. Söder setzt viel Vertrauen in den Bau der neuen S-Bahn-Stammstrecke, schaut sich die Baugrube am Marienhof an: „Die zweite Stammstrecke ist der entscheidende Schritt nach vorne.“

Für den Rückweg in die Staatskanzlei schickt er die Limousinen übrigens fort – und geht zu Fuß.

Video: Warten auf die S-Bahn – das sagt Markus Söder

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