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Bonuspunkte für gefühlvolles bremsen

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Die Nachfrage nach Telematik-Tarifen in der Kfz-Versicherung steigt. Ob man sich auf die damit verbundene Überwachung einlassen will, muss jeder selbst entscheiden.

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DARMSTADT/MAINZ – Telematik-Tarife waren bisher in der Kfz-Versicherung auf junge Fahrer beschränkt. Nur wenige hunderttausend von insgesamt 47 Millionen Pkw-Fahrern nutzen hierzulande das Angebot. In Italien dagegen sind es sieben Millionen. Nun haben einige Versicherungsunternehmen, darunter die beiden großen, HUK-Coburg und Allianz, die Altersbegrenzung aufgehoben, um mit dem Angebot voranzukommen. Die Allianz meldet jetzt 1000 Neuabschlüsse pro Woche, hat 95 000 Telematik-Verträge im Bestand. HUK hatte 2018 rund 75 000 solcher Policen, aber inzwischen 30 000 neue Kunden, weil man vor der Allianz den Zugang für alle geöffnet hat.

Wo kommt der Begriff her?

Telematik ist eine Wortschöpfung aus Telekommunikation und Informatik. Teilweise wird sie als „pay as you drive“ bezeichnet, englisch für „zahlen, wie Sie fahren“.

Was bringen solche Tarife?

Die Versicherer versprechen ihren Kunden bis zu 30 Prozent Rabatt, wenn sie sich hinter dem Lenkrad vorbildlich verhalten. Manchmal gibt es sogar einen Startbonus von 10 Prozent dazu. Den erhält man jedoch erst nach einem Versicherungsjahr.

Wie wird der Fahrstil kontrolliert?

Das Fahrverhalten wird über eine Schnittstelle im Auto aufgezeichnet. Das kann ein Sensor an der Frontscheibe sein, eine kleine Box im Fahrerraum, eine App im Smartphone oder ein Stick im Zigarettenanzünder, der seine Daten ans Smartphone sendet. So wird gemessen, wie schnell man fährt, ob man sich ans Tempolimit hält, wann und wie stark beschleunigt und gebremst, wie hektisch gelenkt wird.

Wie fährt man vorbildlich?

Das entscheiden die Versicherer nach den ausgewerteten Daten. Schnell in eine Kurve zu fahren führt zum Beispiel oft zu Punktabzug. Doch warum ein Autofahrer bremst, das kann ein solches Gerät natürlich nicht erfassen, auch nicht, ob dies in der jeweiligen Situation unbedingt notwendig ist, um Schlimmeres zu verhindern. Wenn Notmanöver Ausnahmen bleiben, werden sie nicht berücksichtigt. Nicht erfasst werden kann „Drängeln“ oder die Handynutzung am Steuer. Aus den Daten bilden die Versicherer einen „Score“, der höchste Wert für den vorbildlichsten Fahrstil sind 100 Punkte. Bei der Allianz etwa erhält man mit 90 Punkten den höchsten Rabatt von 30 Prozent, mit 80 Punkten noch 20 Prozent. Auch ohne Vertrag kann die Telematik-App zum Test heruntergeladen werden.

Welche Kriterien fließen noch in die Berechnung ein?

Beispielsweise die Uhrzeit. Als sehr riskant gilt der Statistik nach der Berufsverkehr am frühen Abend. Oder die sogenannte Discofahrt am Wochenende. Wer mit dem Auto zur Nachtschicht fährt, wird wohl kaum die volle Punktzahl schaffen, weil bei Dunkelheit die Sicht schlecht ist und es entsprechend häufiger zu Unfällen kommt. Viele Fahrten innerhalb der Stadt sind ebenfalls von Nachteil. Manche wie Cosmosdirekt bewerten aber weder Tageszeit noch Fahrstrecke.

Wo liegen die Vorteile für den Fahrer?

Die Kfz-Versicherung wird billiger, aber auch Spritverbrauch und Verschleiß am Fahrzeug sinken im Idealfall.

Wann lohnt ein solcher Tarif?

Grundsätzlich gilt: „Einen Telematik-Tarif abzuschließen lohnt sich nur, falls Sie schon eine passende und preiswerte Autoversicherung haben“, rät Arne Düsterhoft von Finanztip. Und wenn man sich sicher ist, sicher zu fahren. Nur wegen Telematik die Versicherung zu wechseln, empfiehlt sich normalerweise nicht.

Gibt es Risiken?

Die Fahrer sollten sich bewusst sein, dass sie „gläsern“ werden. Die Versicherungen haben sich zwar auf einen hohen Schutz der persönlichen Daten geeinigt. Die Fahrdaten werden nur anonymisiert weitergeleitet und ausgewertet. Bei einem Strafprozess nach Unfällen wird das kaum zu halten sein.

Werden nur relevante Daten festgehalten?

Wer seine Daten über das Smartphone aufzeichnet, sollte darauf achten, dass er die Anwendung ausschaltet, wenn er als Beifahrer oder im Taxi unterwegs ist. Sonst wird dies zur Fahrstil-Bewertung mit herangezogen.

Was hat die Assekuranz davon?

Weniger Schadensfälle sind das Ziel, denn die Kosten der Schadensregulierung steigen. Und die Margen sind ohnehin mager, insgesamt drohen der Branche 2019 rote Zahlen.

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