Politik

Unter großem Applaus: Merz rügt „Sozialdemokratisierung“ der CDU

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„Dem Trend mit aller Kraft entgegenstellen“: Der Kandidat um den CDU-Parteivorsitz Friedrich Merz hat die jüngsten Entwicklungen in der CDU scharf kritisiert. Vom Autovermieter Sixt bekam er hingegen eine Breitseite. 

Update 19.43 Uhr: Friedrich Merz ist im Wettstreit um den CDU-Vorsitz in die Offensive gegangen und hat vor einer Sozialdemokratisierung der Partei gewarnt. „Wir müssen doch nicht alle Positionen übernehmen, die die Sozialdemokraten richtig finden“, sagte der frühere Unions-Fraktionschef am Dienstag bei der fünften Regionalkonferenz in Böblingen. Die Frage sei, ob die CDU auch in Zukunft eine liberale, konservative und auch sozialen Überzeugungen Platz gebende Partei sein wolle. Merz erhielt für seine Rede großen Applaus.

Der langjährigen CDU-Vorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel, war vom konservativen Flügel in der Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, die Partei nach links gerückt zu haben.

Merz verwies auf deutliche Stimmenverluste der Union bei der Bundestagswahl sowie den Landtagswahlen in Bayern und Hessen. „Wir können und müssen uns dem Trend mit aller Kraft entgegenstellen.“ Dazu gehöre, dass die CDU offen zugebe, dass sie in den vergangenen Jahren „unbequeme Fragen“ der Gesellschaft nicht mehr im ausreichenden Maß aufgenommen habe. Die CDU-Positionen seien nicht mehr deutlich genug gewesen. Die CDU habe viele Menschen mit ihren Sorgen und Befürchtungen ein Stück weit alleine gelassen

Merz kritisierte etwa erneut die Rentenpolitik der großen Koalition und sprach sich für eine grundlegende Steuerreform aus. Leistung müsse sich wieder lohnen, sagte Merz und erhielt besonders dafür von CDU-Mitgliedern im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg viel Applaus.

Update vom 26. November, 12.17 Uhr: Wieder greift der Autovermieter Sixt eine aktuelle gesellschaftliche Debatte für seine Werbezwecke auf: die Debatte über Friedrich‘ Merz‘ (CDU) umstrittenes Statement, er gehöre trotz seines ungefähren Jahreseinkommens von einer Million Euro zur Mittelschicht, nicht zur Oberschicht in Deutschland (siehe Originalmeldung vom 18. November, unten im Artikel). Den Auftrag für das neue Plakat hat laut Branchenmagazin „Werben & verkaufen“ die Agentur Jung von Matt ausgeführt. 

Auf dem neuen Sixt-Plakat wird Merz‘ Jahresverdienst als „Mittelklasse“ bezeichnet, so wie es der Bewerber um den CDU-Parteivorsitz von sich behauptet. Dem wird ein Sixt-Angebot für einen Mietwagen gegenübergestellt: „Mit 99 Euro am Tag schon Oberklasse“. Viele Kunden, die den Facebook-Post kommentiert haben, reagieren belustigt. 

Ein Millionär zählt zur Mittelschicht? So bewerten die Deutschen Merz‘ Statement

Update vom 25. November, 15.25 Uhr: Für seine Aussage, mit einem Vermögen von über einer Million Euro gehöre er zur „gehobenen Mittelschicht“, sorgte CDU-Vorsitz-Bewerber Friedrich Merz für Häme und Diskussionen (siehe unten). Nun gibt es eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag der Bild-Zeitung dazu. 

Die Demoskopen wollten den Befragten wissen: Gehört man als Millionär zur gehobenen Mittelschicht in Deutschland? Das Ergebnis ist eindeutig: Nur 23 Prozent stimmen Merz‘ Aussage zu. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) sind dagegen der Meinung, dass ein Millionär nicht zur gehobenen Mittelschicht zählt. 

„Total unverschämt“: Geschichte mit einem Obdachlosen wirft schlechtes Licht auf Friedrich Merz

Update vom 24. November 2018: Nächster Rückschlag für den Wahlkämpfer Friedrich Merz. Die Einschätzung, dass er mit einem Millioneneinkommen wirklich noch zur „oberen Mittelschicht“ gehört, brachte ihm einige Häme ein. Dann stellte er das Grundrecht auf Asyl in Frage, was auch innerparteilich Widerspruch auslöste. Nun holt Merz eine alte Geschichte aus dem Jahr 2004 ein. 

Die taz interviewte Enrico J., der damals als Obdachloser die Zeitung „Straßenfeger“ in Berlin verkaufte. Am Ostbahnhof entdeckte er ein Notebook an einem Taxistand. Es stellte sich heraus, dass dieses Notebook dem damaligen stellvertretenden CDU-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Friedrich Merz gehörte. "Plötzlich hatte ich die Handynummern von wichtigen Politikern vor mir: Gerhard Schröder, der damals Bundeskanzler war, Angela Merkel, Edmund Stoiber, Theo Waigel und viele andere", erinnert sich der heute 53-Jährige im Gespräch mit der taz. 

Er gab das Gerät beim Bundesgrenzschutz ab, wie die Bundespolizei damals noch hieß. Dort hinterließ er als Adresse die Obdachlosenhilfe. Merz bekam sein Notebook zurück und Enrico J. vier Wochen später über eine Sozialarbeiterin eine Rückmeldung von dem CDU-Politiker. Als Dank habe er dessen neues Buch abgegeben – der Titel lautete: "Nur wer sich ändert, wird bestehen. Vom Ende der Wohlstandsillusion – Kursbestimmung für unsere Zukunft." Dazu die Widmung: „Vielen Dank an den ehrlichen Finder.“

Der damalige Obdachlose empfand das Buch über die „Wohlstandsillusion“ als Hohn. "Das fand ich echt total unverschämt. Ich habe das Buch sofort in die Spree geschmissen. Er wusste ja von der angegebenen Adresse genau, dass ich obdachlos war, doch ihm war das nicht mal einen Cent wert.“ Er hätte sich eine persönlichen Dank erhofft, immerhin habe er verhindert, dass geheime Infos an falsche Hände geraten, sagte Enrico J. der taz.

Wieso diese alte Geschichte nun öffentlich wird? Enrico J. erklärt es mit der Kandidatur von Merz für den CDU-Vorsitz. Er habe sich an die damalige Aktion erinnert, als er von der Kandidatur hörte. „Mir und meinem Kumpel kann er nichts gönnen und jetzt macht er wieder auf dicke Hose.“ Der Spiegel fragte bei Merz nach, doch er wollte sich zu der Geschichte aus dem Jahr 2004 nicht äußern. 

Der bekannte SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach nutze die Geschichte als Steilvorlage. Auf Twitter schrieb er dazu: „Sagt alles, was man wissen muss über den Charakter von Merz.“ Ein anderer Twitter-User kommentierte: „Ein großzügiger Sympath. Nicht.“ 

Blackrock-Gehalt von Friedrich Merz durch Insider bestätigt

Update vom 21. November 2018: Nachdem Friedrich Merz über sein Einkommen gesprochen hatte, bestätigte ein Insider einen Teil seiner Angaben gegenüber dem Stern. Merz ist Vorsitzender des Aufsichtsrat der deutschen Tochter des Vermögensverwalters Blackrock. Der Aufsichtsrat, der aus drei Personen besteht, treffe sich jedoch nur zweimal im Jahr für ein paar Stunden. Im vergangenen Jahr zahlte Blackrock den drei Aufsichtsräten zusammen 377.000 Euro. 

Recherchen des Stern ergaben, dass Merz von mehreren Unternehmern finanziell unterstützt wird. Der deutsch-schweizerische Multimillionär Ulrich Bettermann ist einer von ihnen. Der 72-Jährige sagte: „Für mich ist Herr Merz die beste Alternative für Deutschland." Bettermann gilt als Kritiker von Kanzlerin Angela Merkel und ist ein Anhänger des rechtsnationalen ungarischen Premiers Viktor Orban.

Auch vom Finanzunternehmer Christian Angermayer soll Merz in der Vergangenheit unterstützt worden sein. So sagte dieser für eine Veranstaltung mit Merz aus Anlass des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos im Januar 2013 einen Zuschuss für die Unkosten zu.

Originalmeldung vom 18. November: Merz legt seine Einkünfte offen – eine Million pro Jahr

Berlin – Über diese Zahl wird noch zu diskutieren sein: Friedrich Merz hat zum ersten Mal offen gelegt, wie viel Geld er im Jahr verdient. Merz, der neben Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn für den CDU-Parteivorsitz kandidiert, sagte in einem Interview mit der Bild am Sonntag (Achtung: Artikel kann nicht gratis gelesen werden): „Heute verdiene ich rund eine Million Euro brutto.“ Im Jahr.

Einzelheiten zu seinen Posten als Aufsichtsrat mehrerer Firmen und Berater der Kanzlei Mayer Brown sparte er aus. Die Zeitung beruft sich aber auf Geschäftsberichte, wonach Merz allein bei der Investmentfirma Blackrock zuletzt mindestens 125.000 Euro im Jahr verdient habe. Hinzu kämen 80.000 Euro bei der Wepa Industrieholding, 75.000 Euro bei der Bank HSBC Trinkhaus und 14.000 Euro bei der Flughafen Köln/Bonn GmbH.

(Lesen Sie hier ein Portrait des möglichen Merkel-Nachfolgers als CDU-Parteivorsitzender.)

Friedrich Merz zählt sich nicht zur Oberschicht

Der Politik-Rückkehrer zählt sich trotz seines sehr hohen Jahreseinkommens nicht zur Oberschicht. Er argumentiert im Gespräch mit der Bild am Sonntag: „Wenn ich ‚Oberklasse‘ oder ‚Oberschicht‘ höre, denke ich an Menschen, die viel Geld oder eine Firma geerbt haben und damit ihr Leben genießen. Das ist bei mir nicht der Fall.“ Er zählt sich zur Mittelschicht: „Für mich ist die gesellschaftliche Mitte nicht eine rein ökonomische Größe. Ich habe von meinen Eltern die Werte mitbekommen, die die Mittelschicht prägen: darunter Fleiß, Disziplin, Anstand, Respekt und das Wissen, dass man der Gesellschaft etwas zurückgibt, wenn man es sich leisten kann.“ 

Lesen Sie auch: Merz bei Anne Will: Als SPD-Frau ihn scharf angeht, bringt er Zuschauer auf seine Seite

Merz ist es in dem Interview wichtig zu betonen, dass er früher ein „überschaubares Einkommen“ gehabt habe: „Meine Frau und ich waren Studenten, als wir geheiratet und das erste Kind bekommen haben. In dieser Zeit mussten wir jede Mark umdrehen. Angefangen habe ich mit einem für eine Familie mit zwei Kindern überschaubaren Einkommen eines Referendars in Saarbrücken.“

Friedrich Merz stellt sich der Wahl zum CDU-Vorsitzenden

Merz hatte in der Vergangenheit Kritik einstecken müssen, weil er von sich behauptete, zur „gehobenen Mittelschicht“ zu gehören. Kritik gab es auch, weil er die Frage, ob er Millionär sei, unbeantwortet ließ. Es waren Zweifel laut geworden, ob er die Interessen von Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen vertreten könne. 

Die Wahl des neuen CDU-Parteivorsitzenden ist für den 7. Dezember 2018 geplant.

Lesen Sie hier: Friedrich Merz greift die AfD mit Nazi-Vorwurf an.

sah/mag

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