Wirtschaft

Draghi: EZB bereit zu weiterer Lockerung ihrer Geldpolitik

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Legt die EZB noch einmal nach? Trübe Konjunkturaussichten und schwache Inflation alarmieren die Währungshüter. Die Märkte sollten auf alles vorbereitet sein. Scharfe Kritik kommt aus Washington.

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Sintra/Frankfurt (dpa) – Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert wegen einer sich verschärfenden Konjunkturflaute auf eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik zu.

Sollte sich der Wirtschaftsausblick nicht verbessern und die Inflation im Euroraum nicht anziehen, werde eine zusätzliche Lockerung der Geldpolitik erforderlich sein, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Dienstag bei der Notenbankkonferenz der EZB im portugiesischen Sintra. Die Aussagen lösten heftige Bewegungen an den Finanzmärkten aus und riefen US-Präsident Donald Trump auf den Plan.

Zusätzliche Zinssenkungen und weitere Anleihekäufe seien denkbar, sagte Draghi. Sie gehörten zum Instrumentenkasten der EZB. «Wir werden alle Flexibilität innerhalb unseres Mandats nutzen, um unseren Auftrag zu erfüllen», versicherte der Notenbankpräsident. «In den kommenden Wochen wird der EZB-Rat überlegen, wie unsere Instrumente entsprechend der Schwere des Risikos für die Preisstabilität angepasst werden können», hieß es weiter. Schon bei der Zinssitzung vor knapp zwei Wochen war im EZB-Rat über mögliche Maßnahmen diskutiert worden – etwa über eine Verschärfung des Strafzinses für Bankeinlagen. Zum EZB-Werkzeugkasten gehören auch Anleihenkäufe.

Die Finanzmärkte reagierten heftig. Im Handel mit europäischen Staatsanleihen kam es zu einem Einbruch der Zinsen. Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen aus Frankreich und Österreich rutschten erstmals in den negativen Bereich. Zehnjährige Bundesanleihen rauschten zeitgleich tiefer in die Negativzone und erreichten ein Rekordtief bei minus 0,33 Prozent. Besonders stark fiel der Marktzins für Griechenanleihen mit 0,22 Prozentpunkten auf 2,47 Prozent und für zehnjährige Italien-Anleihen mit 0,21 Punkten auf 2,09 Prozent.

Die Signale der EZB für eine lockere Geldpolitik beflügelten die Aktienmärkte und setzten den Euro unter Druck. Zeitweise rutschte der Kurs der Gemeinschaftswährung unter die Marke von 1,12 US-Dollar. Eine Entwicklung, die US-Präsident Trump scharf kritisierte.

«Mario Draghi hat gerade angekündigt, dass weitere Stimuli kommen könnten, was den Euro gegenüber dem Dollar sofort fallen ließ», schrieb Trump auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dies mache es «ihnen» – vermutlich den Euroländern – zu Unrecht leichter, gegen die USA im Wettbewerb anzutreten. «Damit kommen sie seit Jahren durch, zusammen mit China und anderen», kritisierte Trump weiter.

Trump hatte sich zuvor mehrfach mit zum Teil herber Kritik in Richtung der US-Notenbank Fed zu Wort gemeldet. Er fordert vehement eine Zinssenkung in den USA, damit der Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft gestützt wird. Dagegen hat er sich gegenüber Zentralbanken anderer Länder oder Wirtschaftsräume bisher eher zurückgehalten.

Angesichts wachsender Konjunkturrisiken hatten die Währungshüter eine erste Zinserhöhung bereits bis mindestens Mitte 2020 verschoben. Der Leitzins im Euroraum verharrt auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken müssen weiter 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken.

«Nach den Äußerungen Draghis erwarten wir, dass die EZB vermutlich schon auf ihrer nächsten Sitzung am 25. Juli eine Senkung des Einlagezinses von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent beschließt», kommentierte EZB-Fachmann Michael Schubert von der Commerzbank. Mit neuen Käufen von Staatsanleihen rechnet Schubert nur, falls die wirtschaftliche Entwicklung deutlich schlechter ausfallen sollte.

Die Signale der EZB für eine mögliche Lockerung ihrer Geldpolitik folgten nach einer Reihe von negativen Stimmungsdaten aus der Eurozone. Zuletzt sorgten Konjunkturerwartungen von Finanzexperten für eine herbe Enttäuschung. Der Indikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) brach im Juni um 19,0 Punkte auf minus 21,1 Zähler ein. Es war der zweite Rückgang in Folge. Der Indikator rutschte auf den tiefsten Stand seit einem halben Jahr.

Die EZB strebt mittelfristig für den Euroraum eine Jahresteuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke. Dauerhaft niedrige oder auf breiter Front sinkende Preise können Unternehmen und Verbraucher verleiten, Investitionen aufzuschieben. Das bremst die Wirtschaft.

Doch ihr Ziel stabiler Preise wird die EZB nach eigener Einschätzung absehbar verfehlen. Die Teuerung dürfte nach EZB-Prognose 2019 bei 1,3 Prozent liegen. Für 2020 erwartet die Notenbank eine Inflationsrate von 1,4 Prozent, 2021 dann 1,6 Prozent. Im Mai lagen die Verbraucherpreise im Euroraum mit seinen 19 Ländern nach Eurostat-Angaben um 1,2 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Mit neuen Geldspritzen für Banken versucht die EZB gegenzusteuern. Von September 2019 bis März 2021 stellt die EZB jeweils zweijährige Kredite zu besonders günstigen Konditionen zur Verfügung. Der Zins dafür wird prinzipiell eng an den jeweils gültigen Leitzins gekoppelt. Ziel ist, die Kreditvergabe zu beflügeln und so Wirtschaftswachstum und Inflation anzuschieben.

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