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„Sichere Herkunftsländer“: Grüne blockieren wohl Gesetz – CDU-Mann macht schweren Vorwurf

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Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien sollen „sichere Herkunftsländer“ werden – so will es der Bundestag. Die Grünen bekräftigen aber ihren Widerstand.

Update 16.28 Uhr: Grünen-Chef Robert Habeck hat bekräftigt, dass seine Partei eine Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat verhindern will. Es gebe dafür in der Länderkammer keine Mehrheit, "auch weil die Grünen in den Landesregierungen die sogenannte Koalitionskarte ziehen werden", sagte Habeck am Freitag dem Sender Phoenix.

Im Bundesrat wäre für die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten eine Mehrheit von 35 Stimmen erforderlich. Auch zusammen mit dem grün-schwarz regierten Baden-Württemberg, dass wohl mit Ja stimmen dürfte, kämen aber nur 34 Stimmen für eine Zustimmung zustande.

Gegen eine Einstufung der Maghreb-Staaten und Georgiens als sicher wandte sich der evangelische Sozialverband Diakonie Deutschland. "In den betroffenen Ländern werden religiöse und ethnische Minderheiten verfolgt. Menschenrechtsverletzungen an Oppositionellen sind belegt", erklärte die Diakonie-Sozialexpertin Maria Loheide in Berlin. Auch gebe es Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit. Loheide äußerte auch Zweifel, ob die Einstufung tatsächlich Asylverfahren beschleunigen werde.

Sichere Herkunftsländer: Grüne wollen Ausweitung im Bundesrat verhindern – CDU-Mann macht schweren Vorwurf

Update 12.02 Uhr: Die Grünen wollen den Bundestagsbeschluss zur Ausweitung der „sichere Herkunftsstaaten“-Regelung auf Tunesien, Marokko, Algerien und Georgien im Bundesrat blockieren – und kassieren nun Angriffe aus den Reihen der Koalitionsfraktionen. Der CDU-Abgeordnete Alexander Throm sagte, Abschiebungen seien nicht nur für die Grünen ein schmerzhaftes Thema, sondern auch für Politiker anderer Parteien, für die Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und für die Bundespolizisten, die diese Ausländer außer Landes bringen müssten. Die Grünen hätten „keinen moralischen Alleinstellungsanspruch“. Durch ihre Blockadehaltung bei dieser Asylrechtsänderung riskierten sie die Akzeptanz der Bevölkerung für das relativ liberale deutsche Asylrecht.

Ein Antrag der FDP, zu überprüfen, ob Indien, Vietnam, die Ukraine und elf weitere Länder ebenfalls zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden sollten, fand keine Mehrheit. Er erhielt jedoch immerhin 150 Stimmen – und damit mindestens 70 Stimmen aus anderen Fraktionen.

Maghreb-Staaten und Georgien „sichere Herkunftsländer“ – Bundestag winkt Gesetzentwurf durch

Update 11.13 Uhr: Der Bundestag hat mit großer Mehrheit einem Gesetzentwurf zur Einstufung von Georgien, Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten zugestimmt. Einzig Vertreter der Fraktionen der Grünen und der Linkspartei sprachen sich am Freitag im Plenum gegen den Entwurf der Bundesregierung aus. Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh sagte, die Regelung sei wichtig, um bei den Menschen aus diesen Ländern „nicht falsche Hoffnungen“ auf eine Zukunft in Deutschland zu wecken. Sie sei „Ausdruck eines gesunden Pragmatismus.“ Für den Entwurf stimmten 509 Abgeordnete. Mit „Nein“ votierten 138 Abgeordnete. Vier Parlamentarier enthielten sich.

Sichere Herkunftsländer sind Staaten, bei denen die Vermutung besteht, dass es dort im Regelfall weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gibt.

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, sagte, der Entwurf sei überflüssig, da die Zahl der Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern zuletzt ohnehin stark zurückgegangen sei. Die Zahl der Abschiebungen nach Georgien und in die Maghrebstaaten habe dagegen deutlich zugenommen. Die grün mitregierten Bundesländer können die Ausweitung noch im Bundesrat blockieren (siehe unten).

Sichere Herkunftsstaaten: Seehofer spricht im Bundestag

Update 10.15 Uhr: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat im Bundestag für die Einstufung der Maghreb-Länder Algerien, Marokko und Tunesien sowie Georgiens als sichere Herkunftsstaaten geworben. Damit würden die Asylverfahren für Menschen aus jenen Ländern beschleunigt, zudem könnten sie bei einer Ablehnung schneller zurückgeführt werden, sagte Seehofer am Freitag bei der Debatte über den Gesetzentwurf.

Der Innenminister argumentierte mit den ohnehin sehr niedrigen Erfolgsaussichten für Asylbewerber aus den vier betroffenen Ländern. So habe die Anerkennungsquote 2018 für Menschen aus Algerien 1,2 Prozent betragen, für Menschen aus Marokko 2,3 Prozent. Aus Tunesien seien 1,9 Prozent der Asylanträge positiv beschieden worden, aus Georgien nur 0,3 Prozent.

Seehofer fügte als positives Beispiel das Verfahren mit den Westbalkan-Staaten an: Hier sei durch die Anerkennung als sichere Herkunftsstaaten der "missbräuchliche Asylanspruch" deutlich zurückgedrängt worden. Zugleich hob er hervor, der individuelle Anspruch auf Asyl bleibe erhalten. Das geplante Gesetz gebe zugleich den Behörden mehr Zeit für die Bearbeitung der Anträge von "wirklich Schutzbedürftigen" sowie für deren Integration.

Ausgangsmeldung: „Sichere Herkunftsländer“: Grüne blockieren wohl Ausweitung – aus diesem Grund

Berlin – Vor der Bundestagsabstimmung über die Einstufung der drei nordafrikanischen Maghreb-Staaten und Georgiens als sichere Herkunftsstaaten haben die Grünen ihren Widerstand gegen den Schritt bekräftigt. Es handle sich um eine verfassungsrechtlich höchst bedenkliche "Symboldebatte, die an eigentlichen Problemen vorbeigeht", sagte die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock am Freitag im "Morgenmagazin" des ZDF. Ihre Partei wolle schnellere Abschiebungen, setze aber auf andere Mittel.

Baerbock forderte Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern, die zeitliche "Priorisierung" der Entscheidungen über Asylanträge etwa aus Georgien innerhalb des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie deutlich mehr Richterstellen an Verwaltungsgerichten, die über Einsprüche entscheiden. Dies sei erfolgversprechender.

Sichere Herkunftsländer „rechtlich hochproblematisch“: Grüne-Chefin erklärt Standpunkt ihrer Partei

Das Instrument der sicheren Herkunftsländer sei "rechtsstaatlich hochproblematisch", sagte Baerbock. Alle Asylbewerber hätten einen Anspruch auf Einzelfallprüfungen. Das Bundesverfassungsgericht habe äußert enge Vorgaben für die Einstufung gemacht. So müssten Länder völlig frei von Verfolgung sein. Das sei bei den Maghreb-Staaten etwa mit Blick auf Homosexuelle oder Journalisten nicht der Fall.

Der Bundestag stimmt am Freitag über die Einstufung der Maghreb-Länder Algerien, Marokko und Tunesien sowie von Georgien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten ab. Damit sollen schnellere Asylverfahren für Menschen aus diesen Ländern und auch schnellere Abschiebungen ermöglicht werden. Baerbock kündigte an, dass die Grünen dagegen stimmen. Eine Mehrheit gilt im Bundestag allerdings als sicher.

Grüne können Änderung im Bundesrat blockieren – nicht zum ersten Mal

Jedoch kann die Regelung nur in Kraft treten, wenn später auch der Bundesrat zustimmt. Die Länder, in denen die Grünen an der Regierung beteiligt sind, dürften sich bei der erneuten Abstimmung enthalten. So sehen es die Koalitionsverträge vor, wenn die Landesregierungen in einer Frage uneins sind.

Union und SPD waren bereits 2017 mit einem ähnlichen Entwurf im Bundesrat am Widerstand von Ländern gescheitert, in denen Grüne oder Linke mitregieren.

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AFP/dpa/fn

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