Politik

Carola Rackete erklärt dramatische Situation: „Lage hatte sich so zugespitzt …“ 

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Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete bekräftigt in einem Interview ihr Vorgehen in Lampedusa – und erklärt, warum sie sich nicht frei bewegen kann.

Update vom 11. Juli, 15 Uhr: Knapp zwei Wochen, nachdem Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete gegen den Willen der italienischen Regierung in Lampedusa angelegt hat, hat sie ihr Vorgehen verteidigt und deutliche Worte gefunden. „Die Entscheidung war vollkommen richtig“, bekräftigte sie in einem ZDF-Interview.

Ausschlaggebend für die Entscheidung seien insbesondere die Situationsberichte des Ärzteteams an Bord und die Aussagen anderer Crew-Mitglieder gewesen. „Da hat sich einfach gezeigt, dass die Lage sich so zugespitzt hatte, dass wir die Sicherheit der Menschen nicht mehr garantieren konnten“, schildert Rackete. 

Stünde sie jetzt wieder vor der Entscheidung, würde sie „selbstverständlich“ wieder so handeln, „weil das Retten von Menschenleben natürlich viel wichtiger ist als jetzt die juristische Verfolgung“, so die Kapitänin.

Das Schiff wird Rackete zufolge noch zur Beweissicherung gebraucht und noch nicht wieder freigegeben. Sie hoffe, dass das bald abgeschlossen sei, denn das Schiff werde dringend gebraucht. Für sie selbst steht am 18. Juli die nächste Anhörung an.

Ihren aktuellen Aufenthaltsort hält Carola Rackete nach wie vor geheim. Es habe viele Drohungen gegen sie gegeben, die von der Polizei als „realtiv kritisch“ eingestuft wurden, berichtet sie. Deswegen habe man beschlossen, den Aufenthaltsort im Moment weiter nicht zu erwähnen. „Juristisch bin ich natürlich vollkommen frei nach dem Urteil der Haftrichterin, aber frei bewegen kann ich mich im Moment nicht.“ 

Carola Rackete will vorerst nicht nach Deutschland zurück

11.44 Uhr: Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete will vor ihrer nächsten Anhörung bei der Staatsanwaltschaft nicht nach Deutschland zurückkehren. Ob die 31-Jährige bis zur geplanten Vernehmung am 18. Juli in Italien bleibt, wollte der Sprecher der Hilfsorganisation, Ruben Neugebauer, am Dienstag jedoch nicht sagen. „Sie ist frei und kann hingehen, wo sie möchte“, sagte Neugebauer. Rackete hält sich derzeit an einem geheimen Ort auf.

Bekannter TV-Moderator wettert heftig gegen Carola Rackete und Böhmermann

Update vom 9. Juli, 9.40 Uhr: „Sea-Watch“-Kapitänin Carola Rackete ist vorerst wieder auf freiem Fuß. Dennoch sorgt ihr Fall europaweit für Aufsehen. Ihr Vorgehen gilt als beispielhaft für die Seenotrettung im Mittelmeer, wie zuletzt auch der Fall des Rettungsschiffes „Alan Kurdi“ zeigte. 

Dabei geht es auch um die Frage, ob man sich für eine höhere Moral über geltendes Recht hinwegsetzen könne. Genau gegen diese Denkweise wettert nun der bekannte TV- und Radio-Moderator Jörg Thadeusz. In einem Gastbeitrag in der Berliner Morgenpost greift Thadeusz nicht nur Carola Rackete und Moderator Jan Böhmermann, sondern ein vermeintliches allgemeines deutsches Überlegenheitsgefühl an. Dieses bestehe seit Jahrzehnten. 

Deshalb wundert es Thadeusz nicht, dass junge Deutsche, wie Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete, „nach Süden aufbrechen, um dort zu ‘unterrichten‘“. Rackete habe mit ihrer Rettung „gelehrt, was moralisches Handeln im 21. Jahrhundert bedeutet“. Darin zeigt sich nach Thadeusz eine „nagelneue Auffassung von Recht“, da man sich im Recht sehe, obwohl man gegen geltende italienische Gesetze verstoße. 

Jörg Thadeusz kritisiert deutsches „Überlegenheitsgefühl“

Thadeusz fasst das vermeintliche Überlegenheitsgefühl mit den Worten zusammen: „Recht gilt nur so lange, bis ein deutscher TV-Fritze wie Jan Böhmermann, eine deutsche Nicht-Regierungsorganisation oder die gesamte deutsche Öffentlichkeit eine höher stehende Moral definieren.“ 

Video: Kapitänin Rackete: Meine Festnahme hat anderen geholfen

Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete ist aktuell wieder frei, muss sich aber in Italien weiterhin vor Gericht verantworten – unter anderem wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Ihre vorübergehende Festnahme sorgte in Deutschland für eine Welle der Unterstützung aus der Bevölkerung. Unter anderem rief der Moderator Jan Böhmermann zu Spenden für Rackete auf, woraufhin allein bei dieser Sammelaktion mehr als 700.000 Euro zusammenkamen.

Auf Twitter bekam Thadeusz für diesen Beitrag viel Kritik. Ein Twitter-User fragt: „Schon mal abgewogen, ob Carola Rackete das nicht nur macht, um Italiener zu belehren, sondern um Menschenleben zu retten?“ Unterstützung bekam der TV-Moderator jedoch aus einer anderen politischen Ecke: Der ehemalige Chef des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, teilte auf Twitter den Morgenpost-Artikel: 

Geld für Carola Rackete: Das hat Sea-Watch mit den Spenden vor

Update vom 9. Juli, 4.50 Uhr:

Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch will die gesammelten Spenden für die Kapitänin Carola Rackete mit anderen Seenotrettern gemeinsam nutzen. „Es wird ein Gremium gebildet, weil wir das Geld möglichst effektiv für die Seenotrettung einsetzen wollen, nicht nur für Sea-Watch, sondern wir wollen gemeinsam schauen, wo es am dringendsten gebraucht wird“, sagte Sprecher Ruben Neugebauer der Deutschen Presse-Agentur.

In diesem Gremium seien unter anderem Vertreter von Hilfsorganisationen und von dem Netzwerk Seebrücke, das sich für die Rettung von Migranten auf dem Mittelmeer einsetzt. Ein Teil der Spenden soll für die Verfahrenskosten von Rackete verwendet werden.

Nach der Festnahme der 31-Jährigen in Italien gab es eine Welle der Solidarität. Allein über den Aufruf der Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf kamen bisher knapp eine Million Euro zusammen.

Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete: Prozess erst nach dem Sommer

Update vom 8. Juli 2019: Das juristische Nachspiel für die deutsche Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete in Italien zieht sich hin. Die Staatsanwaltschaft in Agrigent werde voraussichtlich erst nach dem Sommer entscheiden, ob es zu einem Prozess kommen soll oder ob die Vorwürfe wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung fallen gelassen werden, sagte Staatsanwalt Salvatore Vella am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Die Vernehmung zu diesen Vorwürfen werde für den 18. Juli angesetzt. Rackete sei frei und könne auch bis zu diesem Termin nach Deutschland zurückkehren, sagte Vella. Die 31-Jährige aus Niedersachsen ist derzeit in Italien.

Eine Ermittlungsrichterin hatte zwar den Hausarrest aufgehoben. Jedoch muss sich Rackete laut Verteidiger immer noch in der sizilianischen Stadt Agrigent wegen Vorwürfen der Beihilfe zur illegalen Einwanderung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und gegen ein Kriegsschiff verteidigen.

Die zwei letztgenannten Vorwürfe werden laut Staatsanwalt Vella nicht bei der jetzigen Anhörung behandelt. Darum kümmere sich ein anderer Strafverfolger.

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Erstmeldung vom 6. Juli 2019: Sea-Watch-Kapitänin rechnet mit Seehofer ab – und kündigt Konsequenzen an

Sie hat eine ganz schöne Tortur hinter sich: die Kapitänin der „Sea Watch 3“, Carola Rackete, war zunächst tagelang mit geflüchteten Menschen auf dem Mittelmeer unterwegs, ehe sie sich in der Nacht zum 29. Juni gegen den Willen der italienischen Regierung in Lampedusa anlegte. Die Behörden stellten die Kapitänin daraufhin unter Hausarrest, den ein Gericht nach vier Tagen jedoch aufhob. Rackete habe nicht gegen das Gesetz verstoßen und auch keine Gewalttat begangen, erklärte die Richterin Alessandra Vella. Die 31-Jährige habe ihre Pflicht erfüllt, Menschenleben zu schützen.

Rackete tauchte unter, soll sich jedoch weiterhin in Italien aufhalten. Erstmals nach ihrer Entlassung aus dem italienischen Hausarrest meldete sich Rackete nun zu Wort – und wie.

Italien: Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete rechnet mit Seehofer ab

„Ich fühlte mich alleingelassen“, sagt sie im „Spiegel“. „Mein Eindruck war, dass auf nationaler und internationaler Ebene niemand richtig helfen wollte.“ Deutsche Kommunen hätten sich zwar zur Aufnahme von Flüchtlingen von ihrem Schiff bereit erklärt. „Es scheiterte dann aber auch an Bundesinnenminister Horst Seehofer, der keine Lust hatte, die Angebote der Städte anzunehmen.“

Doch auch Seehofers Kollege, der italienische Innenminister Matteo Salvini, bekam es ab. Der hatte sich stark für eine schwere Strafe stark gemacht, ließ deutsche Politiker, ja selbst Kanzlerin Angela Merkel kühl abblitzen, wenn es um diese Sache ging.

Salvini verhöhnt Rackete gar, sprach davon, dass sie seinem Land „auf die Eier zu geht“. Rackete: „Mich hat überrascht, wie persönlich er geworden ist“, sagte sie. „Seine Art, sich auszudrücken, ist respektlos. Für einen Spitzenpolitiker ist das nicht angemessen.“ Auf Facebook hatte Salvini nach Racketes Freilassung geschrieben: „Ich bin empört, ich bin angewidert.“

Italien: Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete kündigt über Anwalt Konsequenzen für Salvini an

In einem Live-Video auf Facebook nahm Salvini ebenfalls kein Blatt vor den Mund. „Der Platz dieses Fräuleins wäre an diesem Abend das Gefängnis gewesen. Ein Richter hat entschieden, dass es nicht so ist“, sagte er verärgert. „Wie dem auch sei, wir werden diese Justiz verändern. (…) Denn das ist kein Urteil, das Italien guttut, es ist kein Urteil, das für Italien spricht.“

Auch Rackete zieht aus dem Vorfall offenbar Konsequenzen: Sie will mit einer Verleumdungsklage vorgehen. „Wir haben bereits eine Klage (gegen Minister Salvini) vorbereitet“, sagte Racketes Anwalt Alessandro Gamberini dem Radio Cusano Campus am Freitag. Es sei nicht einfach, alle Beleidigungen, die Salvini in diesen Wochen gemacht habe, zu sammeln. Salvini habe nicht nur Beleidigungen ausgesprochen, sondern auch zu strafbaren Handlungen angestiftet. Das sei noch schwerwiegender, wenn es ein Innenminister tue, sagte Gamberini.

Salvini darf sich wohl warm anziehen – und hat vermutlich schon das nächste Problem vor der Tür. Denn aktuell ist schon ein neues deutsches Flüchtlingsschiff auf dem Weg nach Lampedusa. 65 aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge sollen an Bord sein. Salvini will das Schiff erneut nicht anlegen lassen. Aber die Retter sehen das Recht auf ihrer Seite.

Nach „Sea Watch“-Tauziehen: Seehofer will einige Gerettete von der „Alan Kurdi“ aufnehmen

„Die italienische Insel ist der am nächsten gelegene europäische Hafen. Dort könnten die Geretteten schließlich an einen sicheren Ort gebracht werden, denn so verlangt es das internationale Recht“, teilte Sea-Eye am Freitagabend mit. Ein Angebot der libyschen Küstenwache, den Hafen der Stadt Sawija als „Place of Safety“ (deutsch: sicherer Ort) anzulaufen, wurde demnach abgelehnt.

Deutschland hat derweil bereits der EU-Kommission angeboten, Migranten von zwei weiteren Rettungsschiffen im Mittelmeer aufzunehmen. „Auch im Fall der „Alan Kurdi“ und der „Alex“ sind wir im Rahmen einer europäisch-solidarischen Lösung bereit, einen Teil der aus Seenot Geretteten aufzunehmen“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Samstag.

Die „Alex“ ist ein Schiff der italienischen Hilfsorganisation Mediterranea Saving Humans. Sie hat aktuell 54 Migranten an Bord.

Italiens Innenminister Matteo Salvini weist die Bitte seines deutschen Kollegen Horst Seehofer um die Aufnahme von Flüchtlingen zurück und stellt stattdessen eine Gegenforderung an die Bundesregierung. Kritik wurde zuletzt auch an Angela Merkels Wirtschaftspolitik laut.

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Video: „Sea-Eye“ rettet wieder Menschen

Kurz nach ihrer Rückkehr ins Einsatzgebiet im Mittelmeer vor Libyen hat die deutsche Hilfsorganisation Sea-Eye mit ihrem Schiff "Alan Kurdi" 44 Migranten gerettet. Wie die Organisation auf Twitter mitteilt sei der Einsatz in Kooperation mit den maltesischen Behörden erfolgt. Erst am Sonntag hatte sich die Inselrepublik bereit erklärt, 65 von Sea-Eye gerettete Migranten an Land zu lassen.

Rettungseinsätze von privaten Seenotrettern endeten zuletzt immer wieder in langen Hängepartien. Besonders viel Aufmerksamkeit hatte der Fall der Kapitänin Carola Rackete bekommen, die mit dem Schiff "Sea-Watch 3" und geretteten Migranten an Bord unerlaubt nach Italien gefahren war. Gegen sie wird in Italien ermittelt.

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