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Wie viel lassen Sie der AfD durchgehen, Frau Aigner?

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Präsidentin Ilse Aigner (CSU) führt ein Parlament mit sechs Fraktionen, inklusive AfD. Wo hakt es im Landtag? Wie viel lässt sie durchgehen? Ein Interview.

Eine erste Zwischenbilanz gibt die 54-jährige Oberbayerin im Merkur-Interview:

Die ersten 100 Tage seit der Wahl sind überstanden. Welche Note geben Sie Ihrem Hause bisher?

Ilse Aigner: Das Landtagsamt hat stark gearbeitet. Viele neue Abgeordnete, sechs Fraktionen, Raumnot – das war ein unglaublicher logistischer Aufwand. Parallel laufen die Pläne für Umbauten im Maximilianeum, ein neues Besucherzentrum und für neue Veranstaltungsformate, mit denen ich den Landtag weiter öffnen will.

Im Plenum ging es ja eher schleppend los. Haben Sie bisher auch nur ein wichtiges Gesetz beschlossen?

Es sind jetzt nach Weihnachten mehrere Gesetzentwürfe eingebracht worden. Ich finde, wir haben zügig begonnen: Die Koalition hat schnell verhandelt, der Ministerpräsident ist früh gewählt worden. Vergleichen Sie das gerne mal mit der Bundesebene.

Die AfD testet aus, wie weit sie mit Provokationen gehen darf. Wie viel lassen Sie durchgehen?

Hier hat sich jeder an die Hausordnung zu halten, bisher war das in den regulären Sitzungen der Fall. Bei der Gedenkfeier gab es dann diesen unwürdigen Eklat, als ein Großteil der Fraktion den Saal verließ. Das macht man nicht, wenn Überlebende des Nazi-Terrors sprechen. Selbst dann nicht, wenn man hart angegangen wird. Demokratisch legitimierte Volksvertreter sollten den letzten Holocaust-Zeitzeugen Respekt zollen.

Nicht alle AfD-Abgeordneten über einen Kamm scheren

Sind das ausnahmslos Demokraten?

Das wird sich nach und nach herausstellen. Einzelne hatten oder haben Probleme mit dem Verfassungsschutz. Dennoch kann man sicher nicht alle AfD-Abgeordneten über einen Kamm scheren.

Hat sich das Klima im Parlament verändert?

Die Tonlage in manchen Debatten ist schärfer geworden.

Die vielen neuen Herren mit den sehr kurzen Haaren grüßen auf dem Flur?

Ja, das tun sie.

Der Landtag wollte sich neue Regeln geben, dass Abgeordneten-Mitarbeiter auch Führungszeugnisse vorlegen müssen. Wo bleiben diese Regeln?

Es geht um die grundsätzliche Frage, wer in diesem Haus überprüft wird, wer Dauerausweise erhält. Ich habe Vizepräsident Alexander Hold gebeten, einen Vorschlag für die Hausordnung zu entwickeln. Das ist dringend.

Am Mittwoch hat erstmals seit Menschengedenken die CSU eine Abstimmung verloren. Zu viele Abgeordnete waren draußen. Gibt’s jetzt Landespolitik mit Zufallsmehrheiten?

Nein, das dürfte eine Ausnahme gewesen sein. Man muss auf die Disziplin achten. Und wir werden uns Gedanken machen, um künftig Sitzungen parallel zum Plenum zu verhindern.

Ministerpräsident Söder ist viel da, wenn auch meist mit seinem Handy beschäftigt. Ein Vorbild?

Das Handy haben viele in der Hand – ich glaube, auch auf der Pressetribüne. Inzwischen ist es leider der Alltag, dass viel Kommunikation parallel laufen muss. Es ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen des Respekts vor dem Parlament, dass Markus Söder viel im Plenum präsent ist.

Aigner über Söder: „Das traue ich ihm zu, er bemüht sich sehr“

Eine Frage an die CSU-Politikerin Aigner: Söder verspricht einen neuen Stil, mehr Team. Glauben Sie’s?

Erstens freue ich mich, dass diese Erkenntnis da ist. Zweitens habe ich immer wieder feststellen können, wie sich Markus Söder in neuen Aufgaben neu definiert. Als Generalsekretär hat er zugespitzt, als Umweltminister war er softer, als Finanzminister kantiger. Er weiß, dass er jetzt eine verbindende Rolle einzunehmen hat. Das traue ich ihm zu, er bemüht sich sehr.

„Stets eifrig bemüht“ ist im Arbeitszeugnis kein Kompliment…

Das meine ich nicht so. Wir sollten es honorieren, wenn jemand hart an sich arbeitet.

Wer ist eigentlich Nummer eins im Freistaat?

Faktisch der Ministerpräsident. Ob ich jetzt protokollarisch darüber stehe, ist irrelevant. Ich bringe mich da ein, wo ich es für nötig halte.

Ab und zu deuten Sie an, noch nicht am Schlusspunkt Ihrer Karriere zu stehen. Vielleicht doch mal Söder zu beerben. Sind Sie eine Landtagspräsidentin in Lauerstellung?

(lacht) Nein, ich lauere nicht! Ich wollte dieses Amt. Mit 54 Jahren ist die Wegstrecke bis zum Ruhestand aber auch noch recht lang. Man weiß nie, was passiert. Auf mich sind in meinem Leben immer neue Herausforderungen zugekommen, mit denen ich vorher nicht gerechnet hatte. So gesehen ist an einen Schlusspunkt sicher nicht zu denken.

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