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Vatikan-Akten enthüllen: Papst stimmte Mord an Nazi-Diktator Hitler zu

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Bislang geheime Vatikan-Akten verraten: Papst Pius XII. stimmte der Ermordung von Nazi-Diktator Adolf Hitler zu. Interview mit Historiker Michael Hesemann.

Hunderttausende Akten über die NS-Zeit waren bislang im Geheimarchiv des Vatikans unter Verschluss. Erst in diesem Jahr wurden sie für die Forschung freigegeben. Historiker und Vatikan-Experte Michael Hesemann („Der Papst und der Holocaust“) hat als einer der ersten Geschichtsforscher überhaupt Zugang zu den brisanten Dokumenten erhalten. Er bietet neue Einblicke in die Rolle, die Papst Pius XII. (regierte von 1939 bis 1958 im Vatikan) wirklich während des Zweiten Weltkriegs spielte. Die Dokumente wertet Hesemann in seinem neuen Buch „Der Papst und der Holocaust: Pius XII. und die geheimen Akten im Vatikan“ ( Langen-Müller-Verlag, 448 Seiten, 28 Euro) aus. 

Hat der Papst wirklich geschwiegen – so der Vorwurf eines deutschen Dramatikers – während die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler versuchten, die Juden Europas zu vernichten? Im Gegenteil! – sagt Hesemann. Pius XII. (bürgerlicher Name: Eugenio Pacelli) habe hunderttausenden Juden das Leben gerettet. Damit nicht genug: Der Papst stand sogar in Verbindung mit dem deutschen Widerstand gegen Hitler – und billigte ausdrücklich die Ermordung des Nazi-Diktators und Massenmörders.

Herr Hesemann, 60 Jahre nach dem Tod von Papst Pius XII., wird seine Rolle im Zweiten Weltkrieg nach wie vor kontrovers diskutiert. Sie haben nun im vatikanischen Geheimarchiv neue Dokumente entdeckt. Um welche Dokumente handelt es sich dabei?

Michael Hesemann: Um Dokumente, die beweisen, dass der Vatikan nicht, wie bislang behauptet wurde, zur „Kristallnacht“ am 9. November 1938 geschwiegen hat. Er hat nicht offen protestiert, er hat gehandelt.

Vatikan-Akten: Papst Pius XII. bat um Visa für hunderttausende deutsche Juden

Können Sie da ein Beispiel nennen?

Hesemann: Papst Pius XI. bereitete damals gerade eine Enzyklika gegen den Rassismus vor. Leider verstarb er im Februar 1939, bevor ein brauchbarer Entwurf vorlag. Kardinalstaatssekretär Pacelli (der spätere Papst Pius XII.; Anm. d. Red.) aber, der wusste, dass Hitler alles zuzutrauen war, der während seiner zwölf Jahre als Nuntius in Deutschland den Aufstieg des wahnsinnigen Diktators hautnah erlebt hatte, ahnte, dass kein Jude in Deutschland mehr sicher war. So schickte er am 9. Januar 1939, nur zwei Monate nach der Pogromnacht, ein Rundschreiben an die Erzbischöfe potenzieller Einwanderungsländer und forderte sie auf, bei ihren Regierungen um Visa für 200.000 deutsche Juden zu bitten. Damals lebten rund 230.000 Juden im Deutschen Reich, also praktisch für alle. Weil Juden damals zwar noch ausreisen, aber kein Geld mitnehmen durften, war der Vatikan bereit, die Überfahrt zu bezahlen.

Wozu es aber nicht kam…

Hesemann: Der Plan scheiterte nur daran, dass die Regierungen nicht kooperierten. So kamen gerade einmal ein paar tausend Visa zusammen, bevor die Nazis für Juden einen Ausreisestopp verhängten.

Ein deutscher Autor, Rolf Hochhuth, hat den wohl schwersten Vorwurf gegen Papst Pius XII. in seinem Drama "Der Stellvertreter" erhoben: Pius hat sich geweigert, den Holocaust öffentlich zu kritisieren – und damit zur Ermordung der europäischen Juden beigetragen. Was sagt der Historiker dazu?

Hesemann: 
Dem rumänischen  Ex-Geheimdienstchef General Mihai Pacepa zufolge war „Der Stellvertreter“ ein Propagandastück im Auftrag des sowjetischen KGB, um beim Konklave die Wahl von Paul VI., dem engsten Vertrauten Pius XII., zu verhindern. Man befürchtete, dass der von Johannes XXIII. begonnene Dialogprozess mit dem Kommunismus nicht fortgesetzt würde. Historisch sind Hochhuths Anschuldigungen unhaltbar.

Papst Pius XII. hat also gegen den Judenmord protestiert?

Hesemann: Pius XII. hat drei Mal offen gegen die Deportation und Ermordung der Juden protestiert – dreimal häufiger also als die Alliierten. Und er hat in über 40 diplomatischen Interventionen in Deutschland wie in Hitlers Vasallenstaaten immer wieder versucht – und bei den Vasallenstaaten es auch erreicht – dass Deportationen abgesagt oder zumindest aufgeschoben wurden.

Um welche „Vasallenstaaten“ Hitlers handelte es sich?

Hesemann: Drei Staaten – Bulgarien, Rumänien und Italien vor dem Putsch gegen Mussolini – verzichteten auf Druck des Vatikans ganz auf die Auslieferung von Juden an die Nazis. In Vichy-Frankreich, der Slowakei und Kroatien gelang es mehrfach, die Deportationen aufzuschieben, in Ungarn wurden sie nach einem Protesttelegramm des Papstes eingestellt. Insgesamt hat Pius XII. auf diese Weise über 960.000 Juden gerettet – mehr als jeder andere! Für die verfolgten Juden war er ein einsames Licht in der finstersten Nacht, die sich damals über Europa gelegt hatte.

Video: Auf dem Petersplatz weihnachtet es sehr

Vatikan-Kritiker wie der Theologe Hans Küng betonen auch: Pius XII. prangerte niemals den deutschen Überfall auf Polen an. Stimmt das in dieser Form?

Hesemann: Man merkt, dass Küng kein Historiker ist. Noch im September 1939 hat Pius XII. in Beisein des gerade noch rechtzeitig geflohenen Primas von Polen, Kardinal Hlond, eine Ansprache gehalten, in der er dem leidgeplagten polnischen Volk seine Solidarität erklärte. Einen Monat später prangerte er mit drastischen Worten den deutschen Einmarsch in seiner ersten Enzyklika „Summi pontificatus“ an und appellierte an das „menschlich-brüderliche Mitgefühl der Welt“. Zudem berichtete Radio Vatikan in seinem Auftrag regelmäßig über die Gräueltaten der Deutschen in Polen.

Ist bekannt, wie die Katholiken in Polen auf den Protest des Papstes reagierten?

Hesemann: Erst als auf jede Berichterstattung neue Vergeltungsmaßnahmen der Nazis folgten, baten die polnischen Bischöfe darum, auf weitere Proteste zu verzichten. Dem beugte sich der Papst. Als er dann doch 1942 in Polens Kirchen einen Hirtenbrief verlesen lassen wollte, verbrannte Krakaus Erzbischof Sapieha alle Kopien. Die Solidaritätserklärung des Papstes, so schrieb er Pius XII., „würde nur als Vorwand für weitere Verfolgungen dienen“ und niemandem helfen. Ein offener Protest war also gefährlich und konnte schnell kontraproduktiv wirken.

Papst Pius XII. nannte Nationalsozialismus „die gefährlichste Irrlehre unserer Zeit“

Eine weitere von Küngs Behauptungen: Papst Pius XII. habe zwar zeitlebens vehement gegen den Kommunismus gekämpft. Und sogar Katholiken mit kommunistischem Parteibuch exkommuniziert. Allerdings habe er niemals die – zumindest dem Taufschein nach – Katholiken Hitler, Goebbels oder Himmler exkommuniziert. Was hätte das gebracht?

Hesemann: Bis 1945 hielt Pius XII. den Nationalsozialismus für sehr viel gefährlicher als den Kommunismus, ja er bezeichnete ihn schon 1925 als „die gefährlichste Irrlehre unserer Zeit“. Erst als nach dem Krieg in Italien ein Wahlsieg der Kommunisten drohte, sah er in ihnen die nächste große Gefahr für die Kirche.

Und wie bewertete der Vatikan die NS-Ideologie?

Hesemann: Viele deutsche Bischöfe hatten, unterstützt vom Vatikan, schon 1930 die Mitgliedschaft in der NSDAP für unvereinbar mit dem katholischen Glauben erklärt, aktiven Parteimitgliedern die Sakramente verweigert. 1937 verurteilte Papst Pius XI. auf Betreiben seines Kardinalstaatssekretärs Pacelli die NS-Ideologie in der Enzyklika, „Mit brennender Sorge“. Als Pius XII. gewählt wurde, im März 1939, standen die Zeichen auf Krieg. Den galt es zu verhindern. Was hätte eine Exkommunikation von Hitler & Co. da gebracht? Sie hätte nur zu einer Eskalation geführt. Hitler hätte das Konkordat aufgekündigt und wäre gegen die katholische Kirche im Reich vorgegangen. Damit hätte der Vatikan ihm den willkommenen Anlass dazu geliefert, gegen eines der letzten Widerstandsnester vorzugehen. Verloren hätte die Kirche!

Tatsächlich wird von Pius-Kritikern sogar behauptet, der antikommunistische Papst habe mit Hitler einen Pakt gegen den Kommunismus geschlossen. Rechtfertigen die historischen Quellen das?

Hesemann: Pius XII. mit Hitler? Die beiden waren Erzfeinde! Pius XII. hielt Hitler für einen wahnsinnigen Verbrecher, wie er immer wieder im Gespräch mit Diplomaten betonte. Er segnete ja sogar Pläne zum Staatsstreich gegen Hitler ab, kollaborierte mit der deutschen Militäropposition, die mehrere Attentate auf Hitler plante. Als der deutsche Vatikanbotschafter von Bergen nach dem Einmarsch in Russland anfragte, ob der Papst nicht den „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“ segnen wolle, erwiderte sein Mitarbeiter Monsignore Tardini in seinem Auftrag: „Das Hakenkreuz ist nicht das Kreuz Christi. Hier jagt nur ein Teufel den anderen, und der eine ist noch schlimmer als der andere“. Umgekehrt erlaubte Pius XII. den skeptischen amerikanischen Katholiken ausdrücklich, Seite an Seite mit Stalins Soldaten gegen die Nazis zu kämpfen.

Zu den Verteidigern von Pius XII. gehört unter anderem der amerikanische Rabbiner und Historiker David Dalin. Er behauptet: Der Papst habe Hunderttausende von Juden geschützt und gerettet. Wie sehen Sie das? 

Hesemann: Rabbi Dalin hat völlig recht. Der israelische Diplomat Pinchas Lapide hat schon vor Jahren aufgrund jüdischer Quellen die Zahl der durch die Hilfe Pius XII. und seiner Kirche Geretteten auf „mindestens 700.000, wahrscheinlich aber 860.000 Juden“ geschätzt. Ich weise in meinem Buch nach, dass die tatsächliche Zahl der Geretteten noch höher lag, nämlich bei etwa 960.000. Es ist schlimm genug, dass die Welt nicht verhindern konnte, dass 6 Millionen Juden ermordet wurden. Aber ohne den unermüdlichen Einsatz Pius XII. wäre die Zahl der Holocaust-Opfer auf 7 Millionen angestiegen!

Hitler ließ Vatikan umzingeln: Papst Pius XII. in höchster Gefahr

Im Herbst 1943 hatte die Wehrmacht nach dem Putsch gegen den faschistischen Diktator Mussolini Italien besetzt und den Vatikan umzingelt. War in dieser Situation auch Papst Pius XII. in Gefahr?

Hesemann: In höchster Gefahr. Neun Monate lang, vom September 1943 bis Juni 1944, war Rom von den Deutschen besetzt, patrouillierten deutsche Fallschirmjäger den Zugang zum Petersplatz. Wie SS-General Karl Wolff an Eides statt erklärte und wie zeitgenössische Dokumente beweisen, hatte Hitler Befehl erteilt, den Vatikan zu stürmen und den Papst zu verhaften oder sogar zu ermorden, wenn er während dieser Zeit gegen die Verfolgung der Juden protestieren würde. Darum schwieg Pius XII. tatsächlich in dieser Zeit – und handelte im Geheimen. Etwa als es ihm gelang, die Deportation der römischen Juden zu stoppen und rund 5000 von ihnen in über 200 Klöstern und im Vatikan selbst zu verstecken. Die Deutschen ahnten das – und ließen ihn gewähren, weil diese Juden gewissermaßen Geiseln waren, mit denen sie sich das Stillhalten des Papstes erkauften.

Video: Papst Pius XII. – am Tag der Befreiung Roms

Hatte der Papst denn Vorkehrungen getroffen, falls er in die Hände der Wehrmacht fallen würde?

Hesemann: Ja natürlich. Zunächst hat er sein Rücktrittsschreiben in seine Schreibtischschublade gelegt: Die Deutschen sollten Kardinal Pacelli, nicht den Papst in die Hände bekommen. Die Kardinäle wurden angewiesen, in diesem Fall nach Portugal zu reisen und dort seinen Nachfolger zu wählen. Später versprachen die Amerikaner, Pius XII. zu retten – und man richtete im Vatikan ein Versteck ein, wo er ausharren sollte, bis die Alliierten eintrafen.

Angeblich hatte Pius XII. Kontakt zum deutschen Widerstand gegen Hitler. Lässt sich das belegen?

Hesemann: Alles, was in meinem Buch steht, ist sauber belegt – mit 984 Fußnoten. Auch hier haben wir eidesstattliche Erklärungen wichtiger Augenzeugen. Pius XII. arbeitete seit Oktober 1939 eng mit der deutschen Militäropposition zusammen, die Hitler stürzen wollte.

Welche Pläne gab es nach Kriegsausbruch genau?

Hesemann: Sollte der Putsch gelingen, würde der Papst gegenüber den Briten für die neue Regierung garantieren. Mit ihnen vereinbarte er, dass die Grenzen von 1939 gewahrt und ein gerechter Friedensvertrag geschlossen würde. Die Bedingung war die Beseitigung Hitlers!

Papst Pius XII. rechtfertigte Attentatspläne gegen Adolf Hitler

Wie stand der Papst eigentlich zu den Plänen der deutschen Hitler-Gegner, den Nazi-Diktator zu ermorden?

Hesemann: Tyrannenmord ist nach katholischer Lehre legitim, wenn dadurch Millionen gerettet werden. So war er über die Attentatspläne informiert und rechtfertigte sie dadurch, dass man einen Kampf gegen diabolische Mächte führe. Pius XII. hielt Hitler für einen Besessenen, ein Instrument des Bösen. Er versuchte es sogar mit einem Fern-Exorzismus und einer Weihe der Welt an die Gottesmutter von Fatima. Jedes Mittel war ihm recht im Kampf gegen diesen Wahnsinnigen.

Der Prozess zu einer Seligsprechung von Papst Pius XII. läuft schon seit 1965. Was steht nach so vielen Jahren einer Seligsprechung noch immer im Weg?

Hesemann: Der Prozess ist abgeschlossen, schon 2009 hat Papst Benedikt XVI. seinen „heroischen Tugendgrad“ promulgiert, die Vorstufe zur Seligsprechung. Nun warten wir nur noch auf ein Wunder. Das ist die Bedingung für eine Seligsprechung, dass etwa ein Schwerkranker ihn um Fürsprache anruft und auf unerklärliche Weise geheilt wird. Je mehr Gläubige darum beten, je schneller wird es gehen. Verdient hätte er es auf jeden Fall!

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