Politik

Kramp-Karrenbauer bewertet Merkels Flüchtlingspolitik – und attestiert ihr Fehler

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Merkel-Aussagen nährten zuletzt Spekulationen über einen Wechsel nach Brüssel. Ihre Antwort kam prompt. Jetzt wird sie von Nachfolgerin AKK bewertet.

Update 17. Mai, 11.40 Uhr: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat in einem Interview mit mehreren großen europäischen Zeitungen einen rhetorischen Spagat in Sachen Flüchtlings- und Migrationspolitik gewagt: In dem Gespräch attestierte sie einerseits der damals von Angela Merkel geführten CDU migrationspolitische „Fehler“, lobte zugleich aber Merkels Politik der vergangenen Jahre als „absolut richtig“. Mit Blick auf die Seenotrettung im Mittelmeer erklärte Kramp-Karrenbauer indirekt, die Einsätze seien unfreiwillig Teil eines „Geschäftsmodells“ von Schleppern – nichtsdestotrotz sei es richtig, Menschen in Seenot nicht ertrinken zu lassen.

„Wir haben mit zu wenig Aufmerksamkeit und zu wenig Unterstützung zu lange zugeschaut, und die Länder, die eine Außengrenze haben und die sehr stark mit den steigenden Flüchtlingszahlen konfrontiert waren, alleine gelassen“, sagte Kramp-Karrenbauer in dem Gespräch mit Le Figaro, La Repubblica, El País, Ta Nea und De Telegraaf, aus dem unter anderem die Welt zitiert. Dieses Versäumnis gelte auch für die CDU, „das sage ich sehr offen“, fügte sie hinzu. Angela Merkel war von 2000 bis 2018 Parteichefin der Christdemokraten. 

Nichtsdestotrotz halte sie die Politik, die Merkel „in den letzten Jahren in Sachen Migration gemacht hat, für absolut richtig“, sagte Kramp-Karrenbauer – wenngleich in einem CDU-Werkstattgespräch mit Blick auf seitdem gezogene Lehren „Konsequenzen gezogen“ worden seien.

Konkret sprach sich Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit den unter anderem aus Griechenland und Italien stammenden Zeitungen für „flexible Verantwortung“ und flexible Quoten bei der Verteilung von Flüchtlingen aus. Länder mit EU-Außengrenzen müssten bei Integration und Verteilung „wesentlich geringere Aufgaben übernehmen, als ein Land wie Deutschland“. Nötig sei zudem ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen.

Mit Blick auf Seenotrettung im Mittelmeer vermied Kramp-Karrenbauer eine allzu klare Aussage. Sie betonte, dass „ein Teil des Geschäftsmodells, ich sage das so hart, von organisierter Kriminalität von Schleppern genau darauf beruht, dass sie die Menschen ganz bewusst in lebensgefährliche Situationen bringen, weil sie darauf setzen, dass sie entsprechend aufgefangen werden.“ Trotzdem handle es sich um eine „ethisch sehr schwierige Frage, weil es richtig ist, dass man Menschen, die in Seenot sind, nicht ertrinken lässt“.

Merkel nach Brüssel? Kanzlerin reagiert auf Spekulationen

Update 16. Mai 2019 14.18 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat einen Wechsel auf einen wichtigen EU-Posten nach ihrer Amtszeit ausgeschlossen. Es gelte weiter, „dass ich für kein weiteres politisches Amt, egal wo es ist, auch nicht in Europa, zur Verfügung stehe“, sagte Merkel am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in Berlin. Merkel verwies darauf, dass ihre entsprechende Aussage vom vergangenen Jahr, als sie ihren Rückzug nach 2021 angekündigt hatte, weiter gelte.

Der „Süddeutschen Zeitung“ hatte sie gesagt: „Viele machen sich Sorgen um Europa, auch ich. Daraus entsteht bei mir ein noch einmal gesteigertes Gefühl der Verantwortung, mich gemeinsam mit anderen um das Schicksal dieses Europas zu kümmern.“ Damit hatte sie Spekulationen über einen Wechsel nach Brüssel neue Nahrung gegeben.

Merkel stellte klar: „Ich habe dieses Interview als deutsche Bundeskanzlerin gegeben und glaube, dass es richtig ist, dass ich als deutsche Bundeskanzlerin meine Bemühungen um ein gutes, funktionsfähiges Europa eher verstärke als nicht – angesichts der Situation, die wir haben, und auch angesichts der Polarisierung.“

Merkel blickt auf Finanz- und Flüchtlingskrise zurück

Update 15. Mai 2019, 22.37 Uhr: In ihrem großen SZ-Interview hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zu etlichen Themen Stellung bezogen. Egal ob Europawahl und Spitzenkandidat Manfred Weber oder ihre Beziehung zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Und auch zu einer der weitreichendsten Entscheidungen ihrer Amtszeit hatte Angela Merkel etwas zu sagen: Ihre Entscheidung in der Flüchtlingsfrage.

Merkel sagte nun rückblickend: „Hätten wir in der Euro-Krise und in der Flüchtlingskrise nicht oder ganz anders gehandelt, hätte das meiner Meinung nach sehr viel schlimmere Folgen als manche Probleme heute gehabt.“

Nach den Entscheidungen etwa wegen der harten Sparauflagen für Griechenland war auch und gerade Angela Merkel vor allem im Ausland heftig angegriffen worden. In puncto Flüchtlingskrise war ihr ein Alleingang vorgeworfen worden. Dazu sagte die Kanzlerin nun: „Das sind keine Entscheidungen, die am Reißbrett entstehen, sondern Antworten auf das reale Leben.“ Ihre Sicht der Dinge: Weltweit seien knapp 70 Millionen Menschen auf der Flucht, da müsse sich „Europa mit gut einer Million davon befassen“. Der Kanzlerin ist aber auch klar, das dies für Spannungen in Deutschland gesorgt hätte. Aber: „Die müssen dann eben ausgetragen werden.“

Dennoch räumte die Kanzlerin ein, dass vor allem diese beiden Krisen an ihre „Substanz“ gegangen seien. Und in Sachen Finanzkrise, seien die Reformen zwar notwendig gewesen, aber Merkel weiß auch, „dass die Last für die Bevölkerung erheblich war“.

Angela Merkel nach Brüssel? Übernimmt die Kanzlerin einen EU-Posten?

Berlin – Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit Äußerungen über ihr gestiegenes Verantwortungsgefühl für Europa Spekulationen über einen Wechsel auf einen wichtigen EU-Posten angeheizt. In einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag) kündigte Merkel an, sich künftig mit noch größerem Einsatz als bisher für die Zukunft Europas einzusetzen. 

„Viele machen sich Sorgen um Europa, auch ich. Daraus entsteht bei mir ein noch einmal gesteigertes Gefühl der Verantwortung, mich gemeinsam mit anderen um das Schicksal dieses Europas zu kümmern.“ Zugleich beschwor Merkel ihr gutes Verhältnis zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Bringt sich Merkel für EU-Posten in Stellung?

Macron dürfte nach der Europawahl am 26. Mai neben Merkel eine Schlüsselrolle bei der Verteilung der EU-Spitzenposten spielen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte kürzlich klar gemacht, dass er es für denkbar hält, dass Merkel nach ihrer Zeit als Kanzlerin eine Rolle auf europäischer Ebene übernimmt. „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Angela Merkel in der Versenkung verschwindet“, sagte er Ende April der Funke Mediengruppe. „Sie ist nicht nur eine Respektsperson, sondern ein liebenswertes Gesamtkunstwerk.“ Mit Blick auf ein mögliches EU-Amt Merkels fügte er hinzu: „Hochqualifiziert wäre sie.“

In den Spekulationen wird Merkel meist als mögliche Nachfolgerin von EU-Ratspräsident Donald Tusk ins Spiel gebracht – auf dem Posten könnte sie als Vermittlerin ihre große Erfahrung einbringen.

Obwohl Merkel in der „Süddeutschen Zeitung“ Meinungsverschiedenheiten mit Macron einräumte, sieht sie ihr Verhältnis unbelastet. „Gewiss, wir ringen miteinander. Es gibt Mentalitätsunterschiede zwischen uns sowie Unterschiede im Rollenverständnis.“ Das sei schon mit früheren Präsidenten so gewesen. Trotzdem stimmten Deutschland und Frankreich „in den großen Linien natürlich“ überein und fänden stets Kompromisse. „So leisten wir viel für Europa, auch heute.“ Auf die Frage, ob sich ihr Verhältnis zu Macron in den vergangenen Monaten verschlechtert habe, antwortete Merkel: „Nein. Überhaupt nicht.“

Merkel will nicht als EU-Bremserin gesehen werden

Die Kanzlerin wies auch den Vorwurf zurück, sie setze im Vergleich zu Macron weniger europapolitische Impulse, er gelte als Reformer, sie als Bremserin. „Wir finden immer eine Mitte“, sagte sie. Als Beispiel nannte Merkel „enorme Fortschritte“ in der Verteidigungspolitik. Man habe beschlossen, zusammen ein Kampfflugzeug und einen Panzer zu entwickeln. „Es ist doch ein großes gegenseitiges Kompliment und ein Zeichen des Vertrauens, wenn man sich in der Verteidigungspolitik stärker aufeinander verlässt.“

Macron sei noch nicht so lange aktiv im politischen Geschehen wie sie, sagte Merkel – er bringe noch „gewissermaßen auch ein wenig die Perspektive von außen mit. Es ist gut, wenn wir unser Europa aus verschiedenen Blickwinkeln sehen.“ Zugleich warnte sie, wenn man „Europa nicht mehr zukunftsorientiert begründen könnte, wäre auch das Friedenswerk schneller in Gefahr, als man denkt“.

Merkel räumt inhaltliche Differenzen mit Weber ein

Die Kanzlerin verwies auch auf Unterschiede in den Ämtern und politischen Kulturen. „Ich bin die Bundeskanzlerin einer Koalitionsregierung und dem Parlament viel stärker verpflichtet als der französische Präsident, der die Nationalversammlung überhaupt nicht betreten darf“, sagte Merkel. „Aber in den Kernfragen – wohin entwickeln sich Europa, die Wirtschaft, welche Verantwortung tragen wir für das Klima und für Afrika – sind wir auf einer sehr ähnlichen Wellenlänge.“ Dies gelte auch in der Frage, „wo wir gegebenenfalls unabhängig von den Vereinigten Staaten agieren müssen, auch wenn ich mir solche Situationen eigentlich nicht wünsche“.

Auf die Frage, ob sie lieber den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), den CSU-Politiker Manfred Weber, als Präsidenten der EU-Kommission sehen würde oder Bundesbankpräsident Jens Weidmann als Präsidenten der Europäischen Zentralbank, sagte Merkel: „Diese Alternative diskutiere ich nicht.“ Sie setze sich jetzt für Weber als Kommissionspräsidenten ein. „Das schließt nicht aus, dass Deutschland andere herausragende Persönlichkeiten für andere Ämter hat.“ Auch CDU und CSU gehören zur EVP.

Zugleich räumte die Kanzlerin inhaltliche Differenzen mit Weber ein, etwa bei dessen Ablehnung der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2. Weber komme hier „aus einer gesamteuropäischen Perspektive zu einer anderen Lösung“ als sie. „Meine Perspektive ist eine deutsche und mit Europa kompatible Perspektive.“ Anders als Weber plädierte Merkel auch nicht für den sofortigen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Zwar machten die jüngsten Ereignisse nach den Kommunalwahlen „eine Mitgliedschaft der Türkei“ nicht wahrscheinlicher. Andererseits verwies sie mit Blick auf Syrien und den islamistischen Terror auf „gemeinsame Interessen“.

dpa

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