Politik

Erdogan: Nach Wahlniederlage laufen ihm die Mitstreiter davon

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Für den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan läuft es derzeit gar nicht gut. Einige hochrangige Politiker haben die AKP verlassen – und wollen eigene Parteien gründen.

  • Türkei: Einige namhafte AKP-Mitglieder verlassen Erdogans Partei
  • Auch ein ehemaliges AKP-Gründungsmitglied will mit einer eigenen Partei starten
  • International steht Recep Tayyip Erdogan wegen der Lieferung eines russischen Raketenabwehrsystems in der Kritik
  • Der Türkei könnten zudem wegen Gasbohrungen vor der Küste Zyperns Strafen drohen

Ankara – Für den türkischen Ministerpräsidenten, Recep Tayyip Erdogan, kommt es derzeit ganz schön dicke. Wenige Wochen nach der zweiten Wahlschlappe bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul verlassen mehrere Mitglieder von Erdogans AKP die Partei. 

So kehre etwa Ali Babacan, ehemaliger Vizeministerpräsident, der AKP den Rücken, berichtet Bild.de. Grund seien demnach „tiefgreifende Differenzen“ über die Ausrichtung der Partei. 

Der Süddeutschen Zeitung zufolge hat Babacan in einem Brief geschrieben: „Menschenrechte, persönliche Freiheiten, eine fortgeschrittene Demokratie und ein Rechtsstaat“ seien Prinzipien, „die wir nicht aufgeben können“. Offenbar sieht Babacan die Wahrung dieser Werte derzeit in der Türkei nicht gewährleistet. 

Erdogan: Ex-AKP-Mitglieder gründen neue Parteien

Was Erdogan besonders bitter aufstoßen dürfte: Babacan will, so wird in türkischen Medien berichtet, nicht nur aus der Partei austreten – sondern möchte auch nicht länger als Gründungsmitglied der AKP gelten. Das soll der 52-jährige Erdogan Ende Juni mitgeteilt haben.

Demnach soll Babacan bereits Pläne geschmiedet haben, wie es für ihn weitergeht: Er will offenbar eine eigene Partei gründen, gemeinsam mit Ex-Präsident Abdullah Gül. Auch der frühere Finanzminister Mehmet Simsek (52) soll in die neue Partei eintreten wollen. 

Mit Babacan verliert Erdogan ein politisches Schwergewicht: Fünf Jahre lang, von 2002 bis 2007, war dieser Wirtschaftsminister, genoss hohes Ansehen im Ausland, unter anderem auch bei Wolfgang Schäuble (CDU). Auch als Außenminister und Vize-Ministerpräsident war er tätig und führte als Chefunterhändler die Beitrittsverhandlungen mit der EU – die Aufnahme in den Staatenbund ist derzeit in weite Ferne gerückt, wie die Tagesschau kürzlich von der EU-Kommission erfuhr.

Auch der ehemalige Premierminister Ahmet Davutoglu hat nach Informationen des Tagesspiegels vor, eine eigene Partei zu gründen. 

Türkei: Erdogan sauer wegen Austritten

Obwohl Erdogan die kleine Austrittswelle anfangs noch als unbedeutend abtat, hat er darin mittlerweile offenbar doch ein Problem erkannt: Die Abweichler hätten „kein Recht, die Bewegung zu spalten“, sagte Erdogan kürzlich vor Journalisten. „Wenn man auf die nicht sauer ist, auf wen denn dann?“, soll er mit Blick auf Babacan, Gül und Davutoglu gesagt haben.

Erst vor wenigen Wochen hatte Erdogans AKP bei den Bürgermeisterwahlen in Istanbul eine herbe Niederlage hinnehmen müssen. AKP-Kandidat Binali Yildirim hatte auch in der Wiederholung der Wahl Ende Juni das Nachsehen gegen Ekrem Imamoglu, der für die CHP angetreten war. Imamoglu hatte sich schon bei der ersten Wahl am 31. März durchgesetzt – woraufhin die AKP Unregelmäßigkeiten beanstandet und die Wiederholung der Wahl durchgesetzt hatte.

Türkei: Erdogan sorgt auch international für Aufruhr

Recep Tayyip Erdogan hat derzeit allerdings nicht nur mit innerpolitischen Problemen zu kämpfen. Auch auf dem internationalen Parkett sorgt der türkische Ministerpräsident mächtig für Aufruhr. Seit Monaten nähren seine Pläne zum Kauf des russischen Luftabwehrsystems S-400 Streit mit den USA – doch trotz des Widerstands der Amerikaner hat am Freitagmorgen (12. Juli) die Lieferung der S-400-Raketen an die Türkei begonnen. 

Die Ankunft der ersten Teile des Raketensystems am Freitag wurde sogar im türkischen Fernsehen übertragen. So waren die riesigen Frachtmaschinen zu sehen, die die ersten Lieferungen nach Ankara brachten. Mindestens eine war den Berichten zufolge eine Antonow (AN-124). Antonows gehören zu den größten Flugzeugen der Welt. 

Dem Sender CNN Türk zufolge landeten nach der Maschine, deren Ankunft das Verteidigungsministerium am Vormittag bestätigt hatte, bis zum Mittag zwei weitere Flugzeuge. 

Türkei: Nato ist „besorgt“ wegen Raketensystems

Die Vereinigten Staaten befürchten, dass die Installation des russischen Raketensystems die Sicherheit der eigenen Flugzeuge gefährden könnte. Die USA drohen daher, der Türkei keine F-35-Kampfflugzeuge zu liefern. Die Türkei ist an der Produktion des neuen Kampfjets beteiligt und hat 116 Stück bestellt.

Die Nato zeigte sich am Freitag „besorgt“ über die Lieferung des ersten Teils des Raketensystems. „Wir sind besorgt über die möglichen Konsequenzen der Entscheidung der Türkei zum Kauf des S-400-Systems“, sagte ein Nato-Vertreter. Die Nato hatte wiederholt gewarnt, das russische System sei nicht kompatibel mit dem Luftverteidigungssystem des westlichen Bündnisses.

Türkei: Strafen wegen Gasbohrungen vor Zypern?

Auch zwischen der Türkei und Zypern sowie der Europäischen Union brodelt es – denn die Türkei will ihre Gasbohrungen vor der Küste Zyperns trotz der Warnungen Griechenlands und der Europäischen Union fortsetzen. Wie die Deutsche Welle berichtet, einigten sich die Botschafter der Mitgliedstaaten bei einem Treffen darauf, konkrete Planungen zu beginnen. Demnach könnten die EU-Außenminister schon bei einem Treffen am kommenden Montag Strafen beschließen.

Die türkische Regierung weise die Kritik aus Brüssel und Athen zurück, erklärte das Außenministerium in Ankara am Mittwoch. Es verwies darauf, dass ein erstes Schiff bereits im Mai mit Bohrungen begonnen habe. Ein zweites Bohrschiff werde in Kürze vor der zyprischen Halbinsel Karpas die Arbeit aufnehmen.

Der türkische Energieminister Fatih Sönmez hatte am Samstag gesagt, die „Yavuz" werde „in einer Woche" mit den Bohrungen beginnen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte daraufhin, die EU werde „in angemessener Weise in völliger Solidarität mit Zypern" reagieren. Das türkische Außenministerium betonte, die EU könne im Streit um die Ausbeutung der Gasvorkommen keine "Rolle als unparteiischer Vermittler" einnehmen.

Die Türkei fordert die Beteiligung der Türkischen Republik Nordzypern (TRNZ) an der Ausbeutung der großen Gasfelder, die in den vergangenen Jahren vor der Küste Zyperns entdeckt wurden. Die TRNZ wird international jedoch nicht anerkannt, formal erstreckt sich die Autorität der Republik Zypern über die gesamte Insel. Der EU-Mitgliedstaat beansprucht daher das Recht zur ungeteilten Ausbeutung der Gasvorkommen um die Insel.

Im politischen Tauziehen um die Causa Yücel gab es für die türkische Regierung kürzlich ebenfalls einen Dämpfer: Das Verfassungsgericht in Ankara hatte entschieden, dass die Haft des Welt-Reporters Deniz Yücel rechtswidrig war.

AFP/thh

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