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Brisante Türkei-Wahl: Erdogan kündigt gewaltige Anzahl an Sicherheitskräften an

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Bei den türkischen Kommunalwahlen am Sonntag werden eigentlich nur die Bürgermeister und Stadträte gewählt, doch ist die Wahl längst zu einem Votum über Präsident Recep Tayyip Erdogan geworden. Der News-Ticker.

  • Erdogan droht ein Machtverlust in der Türkei. Alles, was Sie zu den Kommunalwahlen 2019 am Sonntag wissen müssen, finden Sie hier im Überblick.
  • Vor allem die Städte Istanbul und Ankara sind in der Türkei hart umkämpft.
  • Alle Türkei-News der Vortage finden Sie hier.

30. März, 11.27 Uhr: Für die Kandidaten der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) ist es eine seltsame Situation: Zwar sind ihnen bei den türkischen Kommunalwahlen am Sonntag viele Bürgermeisterposten im kurdischen Südosten praktisch sicher, doch ist ungewiss, ob sie ihre Ämter auch tatsächlich antreten können. Denn Präsident Recep Tayyip Erdogan hat angekündigt, HDP-Politiker beim Verdacht auf Verbindungen zur kurdischen Guerilla sofort ihres Amtes zu entheben, wie er dies bereits 2016 getan hatte.

Sollten gewählte Bürgermeister die Ressourcen ihrer Städte nutzen, um den "Terrorismus" zu unterstützen, werde er nicht zögern, erneut staatliche Verwalter einzusetzen, warnte Erdogan im Februar bei einer Wahlkampfkundgebung. Schon im Herbst 2016 hatte die Regierung die meisten HDP-Bürgermeister im kurdischen Südosten unter dem Vorwurf abgesetzt, die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu unterstützen.

Batman war im September 2016 eine der ersten Städte, in denen ein Verwalter eingesetzt wurde. Insgesamt tauschte die Regierung 95 der 102 HDP-Bürgermeister aus. Auch für den HDP-Politiker Mehmet Demir besteht nun die Gefahr, abgesetzt zu werden, sollte er die Wahl gewinnen. "Wer sich in einen Kampf begibt, muss bereit sein, sich Drohungen zu stellen", sagt der Bezirksbürgermeisterkandidat dazu lakonisch.

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Türkei-Wahl: Erdogan setzt gewaltige Anzahl an Sicherheitskräften ein

29. März, 16.01 Uhr: Die türkische Regierung setzt zur Kommunalwahl am Sonntag rund 553.000 Sicherheitskräfte ein. Das sagte Innenminister Süleyman Soylu am Freitag, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

Knapp 70 000 Sicherheitskräfte entfallen allein auf die Großstädte Ankara und Istanbul. In der Millionenmetropole Istanbul wird allein die Polizei laut Gouverneursamt rund 41 500 Mann stellen, die Gendarmerie, die in der Türkei eine paramilitärische Organisation ist, werde rund 4100 Mann entsenden. Auch die Marine stelle Personal zur Verfügung. In der Hauptstadt Ankara meldete das Gouverneursamt, dass rund 22 200 Sicherheitskräfte eingesetzt würden.

In Ankara und Istanbul wird die Wahl besonders spannend. Beide werden seit mehr als 20 Jahren von Erdogans Regierungspartei AKP beziehungsweise ihren Vorgängerparteien regiert. Eine Niederlage dort wäre ein enormer Gesichtsverlust für Erdogan, der selbst einst Bürgermeister von Istanbul war.

„Wie vor einem Krieg“: Erdogan schaltet in den Eskalationsmodus

Istanbul/Ankara – Erdogan erklärt den Wahltag zu einer Art Schicksalswahl - eine Frage des "nationalen Überlebens" nennt er es. Und dies liegt nicht zuletzt an Erdogan selbst. Obwohl er selbst nicht zur Wahl steht, tourte der Chef der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) über Wochen durchs Land und warb täglich auf mehreren Kundgebungen um Stimmen.

Es ist für ihn auch Jubiläum: Vor 25 Jahren am 27. März 1994 betrat er die große politische Bühne, wurde damals zum Oberbürgermeister von Istanbul gewählt. Im Türkischen heißt es: „Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei“ – und tatsächlich ist es so gekommen. Ausgerechnet dort droht ihm nun eine schwere Niederlage.

Türkei-Wahl: Verliert Erdogan Istanbul?

Angesichts schwerer wirtschaftlicher Probleme ist die Sorge in der Regierungspartei groß, dass sie Stimmen einbüßt. Insbesondere in den beiden bisher von der AKP regierten Millionenmetropolen Istanbul und Ankara wird ein enges Rennen erwartet. Sollten dort die Rathäuser an die linksnationalistische Republikanische Volkspartei (CHP) fallen, wäre dies ein schwerer Schlag für die AKP und würde der Opposition erheblich Auftrieb geben.

Für die AKP ist der wirtschaftliche Kontext nicht günstig: Nach dem dramatischen Absturz der Währung im vergangenen Sommer ist die Türkei erstmals seit zehn Jahren in die Rezession gerutscht. Die Inflation liegt bei 20 Prozent, und gerade Grundnahrungsmittel sind so teuer geworden, dass die Regierung in Istanbul und Ankara städtische Verkaufsstände eingerichtet hat, die Gemüse zu reduzierten Preisen anbieten.

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„Osmanische Ohrfeige verpassen“: Erdogan schießt vor Türkei-Wahl gegen Kritiker

Obwohl Umfragen zufolge die Wirtschaft die Hauptsorge der Wähler ist, mied Erdogan das Thema weitgehend und beschwor stattdessen die Gefahr durch innere und äußere Feinde. Nationalismus, Islam – und die Hetze gegen den Westen. Das sind Erdogans Steckenpferde im Wahlkampf. Nach einem Marsch zum Weltfrauentag beschuldigte er die Demonstrantinnen, den Gebetsruf ausgepfiffen zu haben. Den Anschlag auf zwei Moscheen in Neuseeland stellte er als Angriff auf die Türkei dar und zeigte immer wieder ein Video der Tat.

Vor allem aber warf er der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) vor, die Türkei spalten zu wollen. Bei einer Kundgebung im östlichen Agri forderte Erdogan seine Anhänger auf, den "Terroristen-unterstützenden Tyrannen eine osmanische Ohrfeige" zu verpassen. Wer vorgebe, Politik speziell für die Kurden zu machen, sei "ein Feind dieses Landes". Die AKP werde nicht zulassen, dass sie "unser Land spalten".

Wegen dieser Rhetorik warf der CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu der Regierung vor, selbst die Gesellschaft zu spalten und eine "ausländische Bedrohung" heraufzubeschwören. "Es ist, als ob wir vor einem Krieg stehen. Dabei sind es nur Kommunalwahlen", sagte der Oppositionsführer und versprach, die "drängendsten Probleme" der Bürger zu lösen wie die steigende Arbeitslosigkeit und die hohen Lebenshaltungskosten.

Türkei-Wahl: Jung gegen alt in Istanbul

Wie bei der Parlaments- und Präsidentenwahl im vergangenen Juni tritt die AKP mit der ultrarechten MHP an, während die CHP ein Bündnis mit der nationalistischen IYI-Partei geschlossen hat. Die HDP verzichtet in vielen Städten darauf, eigene Kandidaten aufzustellen, und konzentriert sich auf die Kurdenregion. Allerdings fürchtet die HDP, dass die Regierung ihre Bürgermeister wieder absetzt, wie sie das 2016 getan hatte.

Wie wichtig die AKP Istanbul nimmt, zeigt die Tatsache, dass sie dort den früheren Ministerpräsidenten Binali Yildirim aufgestellt hat. Die CHP schickt dagegen mit dem 1970 geborenen Bezirksbürgermeister Ekrem Imamoglu einen relativ jungen Kandidaten ins Rennen. In Ankara tritt für die CHP der erfahrene Kommunalpolitiker Mansur Yavas an, der bereits zwei Mal für den Oberbürgermeisterposten kandidierte.

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Türkei-Wahl: Erdogan will aus Hagia Sophia eine Moschee machen

Erdogans Furcht vor der Pleite reicht offenbar weit. Nun will er sogar die berühmte Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee zurückverwandeln. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag unter Berufung auf ein TV-Interview.

Die im 6. Jahrhundert nach Christus erbaute Hagia Sophia (griechisch: Heilige Weisheit) war fast ein Jahrtausend lang das größte Gotteshaus der Christenheit. Nach der Eroberung des damaligen Konstantinopels 1453 wandelten die Osmanen die Kirche in eine Moschee um. Seit 1934 ist sie ein Museum und zieht jährlich Hunderttausende Besucher an.

Wie üblich in der Türkei finden die Kommunalwahlen in allen Provinzen gleichzeitig statt. Im Vorfeld gab es eine Debatte um Unregelmäßigkeiten bei den Wählerlisten – so waren laut der CHP mehr als 6000 Wähler über 100 Jahre alt und in einer Wohnung mehr als tausend Wähler gemeldet. Nachdem es seit 2014 jedes Jahr in der Türkei Wahlen gab, sind bis 2023 keine weiteren Abstimmungen angesetzt.

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