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Ärger um Putins Gas: Drohung des US-Botschafters sorgt für Wirbel

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Die Pipeline Nord Stream 2 soll russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland leiten. Putin will sie unbedingt, Trump will sie unbedingt verhindern. Beiden geht es um wirtschaftlichen Profit. Und um politischen Einfluss.

München – Richard Grenell ist kein geräuschloser Diplomat, er ist sogar das genaue Gegenteil. Jüngster Beweis ist ein Brief, in dem der US-Botschafter in Berlin gleich mehreren deutschen Firmen mit Sanktionen droht, wenn sie den Bau der Erdgaspipeline Nord Stream 2 weiter unterstützen. Diese Konzerne „untergraben aktiv die Sicherheit der Ukraine und Europas“, heißt es darin. Deutschland mache sich von Russland abhängig.

Es ist nicht das erste Mal, dass der forsche Grenell – Spitzname „Mini-Trump“ – in Bezug auf Nord Stream 2 einen scharfen Ton anschlägt. Die USA machen seit Langem Druck auf Deutschland, um das schon im Bau befindliche Projekt noch zu verhindern. Auch die Ukraine und Polen laufen Sturm, die EU ist mindestens skeptisch. Die Pipeline, sagen sie, diene nur den Macht-Interessen des Kreml.

Deutsche Konzerne beteiligt

Formal ist der russische Staatskonzern Gazprom einziger Anteilseigner; allerdings sind die deutschen Firmen Wintershall und Uniper an der Pipeline beteiligt, außerdem OMV aus Österreich, die niederländische Shell-Gruppe und Engie aus Frankreich. Sie steueren jeweils knapp eine Milliarde Euro zum 9,5-Milliarden-Projekt bei.

Spätestes 2020, eher früher, soll Nord Stream 2 russisches Gas vom Örtchen Ust-Luga 1200 Kilometer weit durch die Ostsee nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern leiten. Die neue Röhre wird parallel zur schon bestehenden Nord-Stream-Pipeline laufen; beide zusammen können dann pro Jahr die gewaltige Menge von 110 Milliarden Kubikmeter Gas befördern.

Kritiker wie die Energie-Expertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) halten das für unnötig. „Schon der erste Strang war sehr teuer und ist in weiten Teilen nicht ausgelastet“, schrieb sie in einem Gastkommentar für „Focus Online“. Tatsächlich flossen 2017 nur 51 statt 55 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Röhre, wie die Bundesregierung bestätigt. Auslastung: 93 Prozent. Allerdings beziehen die EU und Deutschland weit mehr Gas aus Russland. Große Mengen laufen durch die Ukraine, die dafür Transitgebühren kassiert – jährlich etwa zwei Milliarden Euro. Noch.

Russlandexperte: Kreml will mit Gas auch Politik machen

Stefan Meister, Russlandexperte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, beschäftigt sich seit Langem mit dem Thema. Natürlich, sagt er, wollten die USA und Russland ihr Gas nach Europa verkaufen. Weil das teuer produzierte Fracking-Gas aus den USA nicht konkurrenzfähig ist, will die US-Regierung die Pipeline unbedingt verhindern. Russland ist seinerseits abhängig von seinen Energieexporten. Sie machen 60 Prozent der Staatseinnahmen aus. Wichtigste Abnehmer sind die EU und Deutschland.

Allerdings will der Kreml mit seinem Gas auch Politik machen. Einerseits geht es darum, den Einfluss auf die EU zu vergrößern und die eigene Macht zu stabilisieren. Dass die Pipeline-Frage in Europa Zwietracht sät, ist Putin dabei nicht unrecht. „Vor allem will er aber die ukrainische Pipeline stilllegen“, sagt Meister. Ohne die Transitgebühren fehlten dem Land wichtige Einnahmen. Putin könnte seinen Druck – auch mit Blick auf die Krim-Frage – vergrößern. Umgekehrt heißt das: „Läuft die Versorgung über die Ukraine weiter, ist Nord Stream 2 nicht nötig.“

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Die Bundesregierung hat die politische Dimension der Pipeline lange ignoriert und erklärt, es handele sich um ein rein wirtschaftliches Projekt. Inzwischen betont sie bei jeder Gelegenheit, durch die Ukraine müsse auch weiterhin Erdgas fließen. Viele Beobachter halten das für inkonsequent. Meister sagt: „In der Pipeline-Frage braucht es eine klare Position der Bundesregierung.“

Bislang gibt es aber keine Bestrebungen, das Projekt zu stoppen. Es wäre auch nur schwer möglich. Der Bau hat begonnen – Deutschland hat die nötigen Genehmigungen längst erteilt. Die Bundesregierung und die am Projekt beteiligten Unternehmen halten Nord Stream 2 für notwendig, um die Energiesicherheit zu gewährleisten. Zu den größten Fürsprechern gehört übrigens ein alter Bekannter: Altkanzler Gerhard Schröder, der Präsident des Verwaltungsrats von Nord Stream 2 ist.

Selbst wenn die USA tatsächlich Sanktionen gegen deutsche Firmen verhängen würden, ließe sich der Kreml nicht abbringen. Russland-Kenner Meister ist sicher: „Gazprom würde die Pipeline notfalls auch alleine bauen.“

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