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Bayer klagt gegen anlasslose Autokennzeichen-Kontrolle: Finger weg von meinen Daten!

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Die Polizei scannt regelmäßig Nummernschilder, um sie mit Fahndungsdaten abzugleichen. Die Autofahrer bekommen davon nichts mit. Nun klagte ein Niederbayer dagegen.

München/Karlsruhe– Benjamin Erhart verbringt viel Zeit auf Autobahnen. Denn er hat seinen Hauptwohnsitz im niederbayerischen Abensberg, einen weiteren Wohnsitz in Salzburg – und pendelt zwischen beiden hin und her. Seit mehr als zehn Jahren verbringt er auch viel Zeit mit seinem Anwalt. Denn der 39-jährige Informatiker klagt sich gegen die automatische Kennzeichen-Erfassung der Polizei durch alle Instanzen. Weil er findet: „Solange ich nichts getan habe, geht es niemanden was an, wo ich bin.“

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Autokennzeichen-Kontrolle: Sofortige Löschung der Daten

Nun ist seine Verfassungsbeschwerde (genau wie die von Autofahrern aus Hessen und Baden-Württemberg) vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gelandet. Und dort ist gestern das Urteil gefallen, für das er so lange gekämpft hatte: Der automatische Abgleich von Nummernschildern sämtlicher Autofahrer mit Fahndungsdaten der Polizei geht zu weit, urteilte das Gericht. Die Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger seien nur teilweise gerechtfertigt.

Die Anlagen sind meist an Autobahnen aufgebaut und scannen die Kennzeichen der Fahrzeuge von hinten. Die Bilder werden mit Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung erfasst. Ergibt der automatische Abgleich mit dem Fahndungsbestand keinen Treffer, werden die Daten sofort gelöscht. Handelt es sich um ein Fahrzeug, nach dem gefahndet wird, werden polizeiliche Maßnahmen eingeleitet.

Beeinträchtigung der Freiheitsrechte

Die Verfassungsrichter hatten bereits 2008 wichtige Vorgaben zum Kennzeichen-Abgleich gemacht. Das neue Urteil geht nun aber darüber hinaus. „Die Vorinstanzen hatten entschieden, dass nur eine Beeinträchtigung der Freiheitsrechte vorliegt, wenn die Daten nicht sofort wieder gelöscht werden“, erklärt eine Sprecherin des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter entschieden nun aber, dass jeder Kennzeichen-Scan freiheitsbeeinträchtigend ist. „Zur Freiheitlichkeit gehört es, dass sich die Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden“, heißt es in der Begründung.

Für die drei betroffenen Bundesländer bedeutet das nun, dass sie ihre Polizeigesetze bis Jahresende nachbessern müssen. So hat Bayern beispielsweise keine Gesetzeskompetenz, um den Abgleich zum Grenzschutz zu erlauben. „Das ist Zuständigkeit des Bundes“, sagte die Sprecherin. Zur Schleierfahndung dürfen die Scans nur mit Grenzbezug eingesetzt werden. Außerdem haben die Richter entschieden, dass die Gründe für jede Kontrolle künftig dokumentiert werden müssen. Davon erhofft man sich eine Mäßigung der Kontrollen, erklärte die Sprecherin.

Urteil wegen Autokennzeichen-Überprüfungen: Absage für anlasslose Kontrollen

Mit dem Urteil habe das Gericht allen anlasslosen Kontrollen eine Absage erteilt, betonte der Rechtsanwalt Udo Kauß, der Benjamin Erhart vertritt. Der freute sich über das Urteil – bedauerte aber, dass es so lange gedauert habe. Auch Grüne und SPD begrüßten das Urteil. Das bayerische Polizeirecht verstoße bei der Kennzeichenerfassung gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, weil dadurch jeder immer und überall überwacht werden könne, betonte Christian Flisek, rechtspolitischer Sprecher der SPD. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze sprach von einem „übertriebenen Überwachungsdrang“.

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Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht das Urteil jedoch als Bestätigung dafür, an der Kennzeichenerkennung festzuhalten. Das Gericht erkenne den Sinn der Maßnahme an – nur die Schwelle, wann Kennzeichen erfasst werden dürfen, sei etwas nach oben verlagert worden.

Kennzeichenerfassung wichtig für Polizeiarbeit

Die Fahndungserfolge würden beweisen, wie wichtig die Kennzeichenerfassung für die Arbeit der Polizei sei, betonte er. An 15 Standorten im Freistaat werden monatlich rund 8,5 Millionen Nummernschilder gescannt. Dadurch seien etliche gestohlene Autos festgestellt, große Mengen Rauschgift sichergestellt, Schleusungen aufgedeckt und Diebesbanden dingfest gemacht worden, sagte Herrmann. Einmal sei sogar eine entführte Frau aus den Händen der Täter befreit worden.

Die Staatsregierung will das Urteil nun in Ruhe prüfen – und dann wo nötig, das bayerische Gesetz nachbessern, um den Vorgaben gerecht zu werden.

Katrin Woitsch und Johannes Welte

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