Politik

„Schluss mit lustig“: Tiroler Landeshauptmann beschuldigt deutsche Verkehrspolitik

0

Günther Platter verteidigt im Interview die Fahrverbote abseits der Autobahnen in Österreich. Außerdem spricht er über die Verfehlungen im Nachbarland: „Die deutsche Politik versteht es nicht“.

Am Freitag haben die Ferien in Nordrhein-Westfalen begonnen, dem bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland, auch im Norden der Niederlande ist die Schule aus. Der ADAC erwartet eines der schlimmsten Reisewochenenden des Jahres 2019. Wer Richtung Süden unterwegs ist, den betreffen auch die österreichischen Fahrverbote für den Ausweichverkehr in Tirol und Salzburg. Wir sprachen darüber mit Günther Platter, dem Landeshauptmann von Tirol.

In drei Wochen beginnen in Bayern die Schulferien. Was muten Sie uns bis dahin noch alles zu?

Günther Platter: Ich glaube, dass die deutsche Verkehrspolitik den Bayern und den Tirolern viel zumutet, weil eben nicht gehandelt wird. Deutschland schaut der Lkw-Lawine tatenlos zu. Dabei ließen sich tagtäglich 40 Prozent dieses Lkw-Transits vermeiden, weil er Umwegverkehr ist. Die Lastwagen fahren über den Brenner nur, weil er im Vergleich aller sechs Alpenübergänge der billigste ist. Das könnten wir vermeiden, wenn wir eine gegenüber den deutschen Mautsätzen wesentlich erhöhte Lkw-Korridormaut zwischen München und Verona einführen würden. Die Lkw-Maut in Tirol ist fünf Mal höher als die in Deutschland. Eine Erhöhung ist das Gebot der Stunde.

Auch Österreich zieht den Lkw-Verkehr an – weil der Diesel so billig ist.

Platter: Das stimmt doch nicht. Der Unterschied ist gering, die Dieselpreise in Deutschland und Österreich unterscheiden sich nur noch wenig. Hier eine Angleichung vorzunehmen, hätte keinen Lenkungseffekt.

Bundesverkehrsminister Scheuer sagt, es gebe in Deutschland eine einheitliche Lkw-Maut, man könne nicht einfach eine Teilstrecke verteuern. Ihr Gegenargument?

Platter: Die deutsche Politik hat die Möglichkeit, Gesetze zu beschließen oder zu ändern. Politik hat die Aufgabe, Gesetze so zu gestalten, dass Lenkungseffekte erzielt werden. Ansonsten würde die Politik ihren Gestaltungswillen aufgeben. Außerdem: Warum nimmt Deutschland nicht eine Querfinanzierung in Angriff, nimmt also die Einnahmen aus einer erhöhten Lkw-Maut an der oberbayrischen Transitstrecke zur Finanzierung der Brenner-Zulaufstrecke der Bahn her? In Tirol haben wir das auch gemacht.

Staatsvertrag zwischen Deutschland und Österreich: „Passiert ist nichts“

Gibt es eine Möglichkeit, mehr Lkw schnell auf die Schiene zu zwingen?

Platter: Ja. Die Rollende Landstraße muss ausgebaut werden. Industrie und Spediteure benötigen mehr Angebote. Auch hier geschieht nichts. Da waren wir schon mal besser. 2012 wurde ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und Österreich geschlossen, da sind die Zulaufstrecken versprochen worden und eine Vermeidung von Lkw-Transitverkehr. Passiert ist nichts – außer, dass der Lkw-Verkehr steigt und steigt. Aber bei uns ist jetzt Schluss mit lustig, bei uns brennt der Hut.

Neuerdings gibt es Fahrverbote bei Kufstein, Reutte, Innsbruck. Bleibt’s dabei?

Platter: Ja. Die Fahrverbote sind marginale, lokale Notmaßnahmen. Jetzt wird das so dargestellt, als würden wir unsere Gäste aussperren wollen. Das ist überhaupt nicht der Fall, Österreicher und Tiroler sind genauso betroffen. Die Kontrollen sind dazu da, um den Verkehrsfluss aufrechtzuerhalten. Die Fahrverbote gibt es auch nicht überall, Die Brenner-Bundesstraße zum Beispiel ist ja offen und mautfrei. Wir machen das ja nicht, um irgendjemanden zu pflanzen, das wäre ja lächerlich.

Sondern?

Platter: Wir machen es, wo es notwendig ist. Bürgermeister haben uns berichtet, nach einem Unfall kamen die Rettungskräfte nicht mehr durch, so dicht war der Durchfahrtsverkehr. Das sehen eigentlich alle ein, unsere Gäste, die Tiroler sowieso. Nur die deutsche Politik versteht es leider nicht.

Interview: Dirk Walter

Ursula von der Leyen: SPD warnt vor der Kooperation mit den Rechten

Previous article

Iran-Krise: Angst vor Krieg – Trump soll ein Angriff erschwert werden

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Politik