Politik

„Rohrkrepierer“ Pkw-Maut: Dobrindt und die CSU bekommen ihr Fett weg

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„Mit mir wird es keine Maut geben“, sagte Angela Merkel einst – die CSU setzte das Projekt trotzdem durch. Am Dienstag hat der Europäische Gerichtshof über die Pkw-Maut geurteilt.

  • Aus für die deutsche Pkw-Maut: Der EuGH hat die Hoffnung auf eine Maut in Deutschland gekippt.
  • Für die CSU ist das ein Tiefschlag. Der verantwortliche Minister Scheuer erklärte noch nicht, wie es weiter geht.
  • Auch Kanzlerin Merkel ließ das weitere Vorgehen offen.

Update 19.20 Uhr: Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt bekommt auf Twitter nach dem Pkw-Maut-Debakel sein Fett weg. Sarkastisch schreibt Dominik Rzepka vom ZDF-Hauptstadtstudio, der CSU-Mann habe ja in seiner Amtszeit „andere Dinge erreicht“, zum Beispiel „50 MBit/s schnelles Internet überall in Deutschland“. Es sei eine „herbe Klatsche“ für Dobrindt, twittert auch sein ZDF-Kollege aus Brüssel, Stefan Leifert. 

Peter Ahrens vom Spiegel mutmaßt in einem Wortspiel, dass die Stimmung bei Dobrindt heute eher „maut“ sei. Sogar ein CDU-Europaabgeordneter haut drauf: „Herzliches vergelts Gott an den Erfinder, der die gesamte Union in Geiselhaft genommen hat für diesen Rohrkrepierer“, schreibt Dennis Radtke. 

Die politischen Gegner der CSU geben nicht nur Dobrindt die Schuld an dem Fiasko, sondern der gesamten Partei. Von einer „Niederlage für die CSU“ twittert FDP-Chef Christian Lindner.  Der Grünen-Europaparlamentarier Erik Marquardt geht noch weiter: „Liebe CSU, ich möchte euch noch kurz an euer arrogantes und besserwisserisches Verhalten zur PKW-Maut erinnern, mit dem ihr seit Ewigkeiten versucht, die Realität zu verdrehen. Aber wie ihr inzwischen wisst: Wer zuletzt lacht, lacht über die CSU.“

Aus Sicht des Ressortleiters Wirtschaft der Zeitung Welt, Olaf Gersemann, ist das EuGH-Urteil die „gerechte Strafe für die CSU“. Und der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn spricht von einem „Totalcrash für die CSU-Verkehrspolitik“. 

Pkw-Maut: Österreich verspottet Deutschland

Update 16.28 Uhr: Österreichs Verkehrsminister Andreas Reichhardt hat sich erfreut über die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gezeigt, wonach die deutsche Pkw-Maut gegen EU-Recht verstößt. "Ich gehe davon aus, dass Deutschland dieses EuGH-Urteil respektieren wird", sagte Reichhardt. Er freue sich sehr über die Entscheidung. Sämtliche Kritikpunkte Österreichs seien anerkannt worden. Das Land hatte gegen das vor allem von der CSU vorangetriebene Projekt geklagt.

Das Urteil sei auch ein "wichtiges Signal für den gemeinsamen Binnenmarkt", sagte Reichhardt. Die Entscheidung des Gerichtshofs lasse in seiner Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Bevorzugung deutscher Autofahrer bei den Mautplänen sei "eindeutig festgestellt". Reichhard bot zugleich Hilfe aus dem mauterfahrenen Österreich an: „Wir unterstützen hier gerne mit Know-how, wenn das gewünscht ist.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt sich unterdessen das weitere Vorgehen vorerst offen. Das Urteil sei zu akzeptieren und zur Kenntnis zu nehmen, sagte sie am Dienstag in Berlin. Natürlich werde Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nun die Situation analysieren. „Und dann werden wir sagen, wie wir weiter vorgehen.“ Die Kanzlerin äußerte sich nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin.

Nach Maut-Schlappe: Spott für CSU – Kurioses Statement von angesäuertem Scheuer

Update 13.30 Uhr: Nach dem Verbot der Pkw-Maut durch den Europäischen Gerichtshof hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eine Task Force zur Bewältigung der finanziellen und organisatorischen Folgen einberufen.

Das Urteil bedeute „keine Absage an die Nutzerfinanzierung, die in über 20 EU-Staaten gemacht wird“. Auch die EU-Kommission halte die Finanzierung des Straßenbaus durch Nutzerabgaben für das richtige Mittel. Aber Fragen nach einem möglichen neuen Anlauf in Deutschland, auch mit Blick auf die ökologische Lenkungswirkung, seien völlig verfrüht.

Pkw-Maut: Scheuer startet sofort mit Task Force – und spricht von „Niederlage im Elfmeterschießen“

 „Jetzt stehen rechtliche, finanzielle Fragen im Vordergrund. Danach dann die politischen Fragen“, sagte der Verkehrsminister. Das Geld aus der Maut sei bereits im Bundeshaushalt 2020 eingeplant, beim Kraftfahrtbundesamt seien schon Stellen geschaffen worden. Noch am Nachmittag werde er mit der Task Force über die Konsequenzen beraten.

Scheuer wies den Vorwurf zurück, es handle sich um eine Schlappe für die CSU. Man habe eine „Niederlage im Elfmeterschießen“ erlebt – müsse aber auch sehen, dass es ein Erfolg gewesen sei, das umstrittene Thema bis zum Urteil des EuGH erfolgreich vorangetrieben zu haben.

Kritik an der CSU kam am Dienstag unterdessen sogar vom Koalitionspartner in Bayern. „Die Pkw-Maut war von Anfang an eine Fehlkonzeption. Gut, dass sie jetzt gestoppt wurde bevor noch mehr deutsches Steuergeld versenkt wird“, twitterte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger.

Aufregung gab es am Dienstagnachmittag um Kanzlerin Angela Merkel (CDU): Merkel begann während des Besuchs des ukrainischen Staatschefs Wolodymyr Selenskyj deutlich sichtbar zu zittern. 

Die Bundeskanzlerin konnte sich allerdings auch zur Maut-Frage äußern und erklärte, das Urteil sei zu akzeptieren und zur Kenntnis zu nehmen. Natürlich werde Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nun die Situation analysieren. „Und dann werden wir sagen, wie wir weiter vorgehen.“

CSU-Schlappe bei Pkw-Maut: Scheuer gesteht Scheitern ein – Seehofer äußert sich enttäuscht 

Update 13.18 Uhr: Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU), der die Pkw-Maut mit auf den Weg gebracht hatte, hat sich nun zum EuGH-Urteil geäußert. „Man muss Gerichtsurteile akzeptieren, aber man muss sie nicht verstehen – und ich verstehe sie nicht“, sagte Seehofer bei einer Pressekonferenz zum Fall Lübcke in Berlin. Seehofer zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung: „Nach meiner Einschätzung wird das die Zustimmung gegenüber manchen europäischen Institutionen nicht gerade erhöhen“, erklärte er.

Update 12.43 Uhr: Die deutsche Pkw-Maut ist nach den Worten von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in ihrer jetzigen Form "vom Tisch". Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei "zu respektieren und zu akzeptieren", sagte Scheuer am Dienstag in München. Der EuGH hatte zuvor entschieden, dass die deutschen Mautpläne gegen EU-Recht verstoßen.

Pkw-Maut-Video: Das war Andreas Scheuers Plan für Deutschland

Pkw-Maut: Häme für CSU und „Quatsch-Maut“ nach EuGH-Urteil

Update 11.04 Uhr: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur geplanten deutschen Pkw-Maut äußern sich Verbände und Parteien erleichtern – und allen voran die CSU muss Spott über sich ergehen lassen. 

Die Grünen werteten das EU-Urteil gegen die deutsche Pkw-Maut als „Klatsche für die Bundesregierung“ und fordern, das Thema nicht weiterzuverfolgen. „Diese CSU-Maut hätte Ausländer diskriminiert und wäre nebenbei noch ein fettes Minusgeschäft. Das Urteil ist eine Klatsche für die Bundesregierung“, sagte der Chef der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter: „Scheuer sollte jetzt endlich das Projekt Quatsch-Maut beerdigen und sich ernsthaft um eine vernünftige Verkehrspolitik kümmern.“

Auch FDP-Chef Christian Lindner begrüßte das Scheitern der Pkw-Maut. „Das Urteil über die Rache-Maut ist eine Niederlage für die CSU, aber ein Gewinn für Europa und die deutschen Steuerzahler“, sagte Lindner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Kosten und Nutzen standen nie in einem angemessenen Verhältnis.“ Der grenznahe Verkehr und damit die wirtschaftlichen Verflechtungen hätten Schaden genommen.

Der ADAC fordert nach dem Scheitern der Maut einen völligen Verzicht auf eine solche Abgabe. „Die Koalition hatte eine finanzielle Mehrbelastung der heimischen Autofahrer ausdrücklich ausgeschlossen“, sagte ein ADAC-Sprecher am Dienstag. „Dieses Versprechen muss angesichts der bereits hohen Belastungen für Autofahrer eingehalten werden.“

Häme kam kurz nach dem Richterspruch von der Linke-Fraktion im Bundestag. „Das EuGH-Urteil zur Pkw-Maut ist ein Totalschaden für die CSU und ihren Verkehrsminister Andreas Scheuer“, erklärte der Abgeordnete Victor Perli. Er begrüßte die Entscheidung des EuGH – auch, weil die Kosten des Mautbetriebs nach Einschätzung der Linke die Einnahmen überstiegen hätten: „Deshalb wäre die 'Pkw-Maut für Ausländer' zum Einstieg in eine Maut für alle geworden.“

Pkw-Maut: Europäischer Gerichtshof fällt überraschendes Urteil

Update 9.54 Uhr: Das Urteil aus Luxemburg ist da: Die deutsche Pkw-Maut ist nicht mit EU-Recht vereinbar. Die Abgabe sei gegenüber Fahrzeughaltern aus dem Ausland diskriminierend, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Die – anfangs auch „Ausländer-Maut“ genannte – Regelung lege die Last praktisch ausschließlich auf Autofahrer aus anderen EU-Staaten. Die Einführung der Maut nach dem bislang geplanten Modell ist damit nicht möglich. 

Überraschend ist das Urteil nicht zuletzt, weil die Vorzeichen auf eine andere Entscheidung hinzudeuten schienen: Der Generalanwalt hatte im Februar empfohlen, Österreichs Klage gegen die Maut abzuweisen. In der Mehrzahl der Fälle orientieren sich die EuGH-Richter an den Gutachten des Generalanwalts.

Pkw-Maut-Vorbericht: Urteil fällt heute – Experte warnt vor Österreichs Rache

Luxemburg – Über ein Prestigeprojekt der CSU wird heute in Luxemburg entschieden: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fällt am Dienstag ein endgültiges Urteil über die Rechtmäßigkeit der geplanten Pkw-Maut. Österreich hatte gegen die deutsche Regelung geklagt. 

Die obersten EU-Richter müssen vor allem darüber befinden, ob die Maut EU-Ausländer verbotenerweise wegen ihrer Staatsangehörigkeit benachteiligt. Dies bezieht sich darauf, dass nur inländische Autobesitzer über eine geringere Kfz-Steuer für die Maut entlastet werden sollen. Die EU-Kommission hatte Bedenken fallengelassen.

Urteil zur Pkw-Maut fällt – Experte warnt vor Rache

„Wenn die Klage heute abgewiesen wird, dann kann Deutschland die Maut dann auch ab Oktober nächsten Jahres anwenden“, sagte der österreichische Rechtsexperte Walter Obwexer am Dienstagmorgen dem Bayerischen Rundfunk, „dann ist es endgültig entschieden“.

Obwexer warnte zugleich vor unangenehmen Folgen für deutsche Autofahrer: „Dann hätte das aber zur Konsequenz, dass das, was für Deutschland unionsrechtlich gilt, auch für andere Unions-Mitgliedsstaaten gilt. Das würde bedeuten, Österreich könnte nächstes Jahr die Vignette für Kraftfahrzeuge auf das Doppelte erhöhen und für die Steuerinländer die Kfz-Steuer um den gleichen Betrag senken“, erklärte er. Die österreichische Autobahn-Vignette, auch „Pickerl“ genannt, war bereits 2019 teurer geworden, wie Merkur.de* berichtete.

Europäischer Gerichtshof urteilt über deutsche Pkw-Maut – Linke-Politiker klagt über „CSU-Stammtischparole“

Die Opposition im Bundestag übte erneut scharfe Kritik an dem Vorhaben. Er hoffe sehr, dass die „CSU-Stammtischparole namens Pkw-Maut“ nun begraben werde, sagte der Linke-Verkehrspolitiker Jörg Cezanne der Deutschen Presse-Agentur. „Sollte dieses auch in finanzieller Hinsicht desaströse Vorhaben durchgewunken werden, wäre das Wasser auf die Mühlen aller Rechtspopulisten in Europa.“

Der EU-Generalanwalt hatte sich im Vorfeld positiv zur geplanten Regelung geäußert. CSU-Landesgruppenchef und Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt erklärte daraufhin, die „Maut-Maulerei“ Österreichs müsse nun ein Ende haben.

Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof: Österreich gegen Deutschland – Start für 2020 geplant

Die Mautgesetze in Deutschland sind bereits 2015 beschlossen worden, werden aber bisher nicht angewendet. Die CSU hatte das Projekt in der vorigen großen Koalition durchgesetzt. Als Bedingung wurde dafür aber fixiert, dass kein Inländer zusätzlich belastet werden dürfe. Darauf pochte nicht zuletzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die 2013 im TV-Wahlkampfduell gesagt hatte: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“ Nach einem Kompromiss mit der EU-Kommission wurden 2017 noch einige Änderungen am Maut-Modell eingefügt.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) strebt den Start der Maut für Oktober 2020 an. Dann sollen Inländer für Autobahnen und Bundesstraßen zahlen, Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf Autobahnen. Bundesstraßen wurden für sie zum Schutz des Grenzverkehrs wieder aus der Mautpflicht herausgenommen. Nach Abzug der Systemkosten sollen 500 Millionen Euro pro Jahr für Straßen-Investitionen übrig bleiben. An den Prognosen des Ministeriums gibt es aber weiterhin Zweifel.

Bei der Klage vor dem EuGH wird Österreich von den Niederlanden unterstützt, Deutschland von Dänemark. Es handelt sich um einen der seltenen Fälle, in dem ein EU-Staat gegen einen anderen ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Recht eingeleitet hat.

Auch interessant: „Der Hund hat die Vignette gefressen“ – Die besten Ausreden von Mautsündern

dpa/fn

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