Politik

Mordfall Lübcke: Kassel will Nazi-Marsch verbieten

0

Mordfall Lübcke: Der Städte- und Gemeindebund fordert stärkere Strafverfolgung von Bedrohungen. Parallel will Kassel den geplanten Nazi-Marsch verbieten. 

  • Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wurde am 2. Juni 2019 in Wolfshagen-Istha durch einen Kopfschuss getötet.
  • Einer der Männer ist schon bei den Ermittlungen zum Mordfall Halit Yozgat ins Visier der Polizei gerückt
  • "Die Rechte" plant am 20. Juli eine Demonstration zum Regierungspräsidium
  • Gesuchtes Auto gefunden, das Stephan E. von seinem Schwiegervater übernommen haben soll
  • Städte- und Gemeindebund fordert verschärfte Strafverfolgung bei Politiker-Stalking und mehr Zivilcourage 
  • Kassel will Aufmarsch verbieten

  • Update, 10. Juli: Die Stadt Kassel will eine geplante Versammlung von Rechtsextremen im Zusammenhang mit dem Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke verbieten. Man arbeite seit Bekanntwerden der Demonstration intensiv an einem Verbot, sagte ein Sprecher der Stadt am Mittwoch. Weitere Informationen wolle man bekanntmachen, wenn die Verbotsverfügung zugestellt sei.

    Die rechtsextreme Kleinstpartei „Die Rechte“ will am Samstag, 20. Juli, unter dem Motto „Gegen Pressehetze, Verleumdung und Maulkorbphantasien“ vom Kasseler Hauptbahnhof aus durch die Stadt ziehen.


    Update, 11:32 Uhr: Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert als Konsequenz aus den sich mehrenden Bedrohungen gegen Politiker eine schärferes Strafrecht. Sogenanntes Politiker-Stalking soll unter Strafe gestellt werden, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der dpa in Berlin. "Das heißt, wenn ein Mandatsträger in dieser Funktion beleidigt, bedroht wird, dann soll das ein eigener Straftatbestand werden." Außerdem sieht Landsberg Nachbesserungsbedarf bei der Ahndung dieser Delikte. Er will Länderübergreifende Ermittlungsgruppen etablieren, die auch schon bei Einbruchskriminalität zu erfolgen geführt haben. Konkret schlägt er Schwerpunktstaatsanwaltschaften vor, die nur bei Bedrohungen gegen Politiker eingesetzt werden.

    Politiker-Stalking: Städte- und Gemeindebund fordert härtere Strafen

    Beleidigungen und Bedrohungen sollen aus der Anonymität geholt werden. "Ich glaube, es hat eine irrsinnige Wirkung, wenn bei diesen Personen morgens mal die Polizei vor der Tür steht, die Nachbarn das mitkriegen, und es hinterher auch mal eine Hauptverhandlung gibt und die Presse darüber auch berichtet.", so Landsberg weiter. Außerdem fordert er mehr Engagement der Bürger: "Die Zivilgesellschaft muss dagegen aufstehen. Sie muss sagen: Wir stehen zu unserem Kommunalpolitiker, auch wenn man vielleicht anderer Meinung ist." Politiker müssten dazu aber auch Bedrohungen konsequent anzeigen und öffentlich machen, damit die Bürger reagieren können. Die schweigende Mehrheit müsse laut werden.

    Update, 19.40 Uhr: Der Arbeitgeber von Stephan E., der Kasseler Mobiltechnik-Hersteller Hübner, hat dem Verdächtigen fristlos gekündigt, bestätigte ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage der hna. Markus H. soll vor fünf Jahren als Leiharbeiter für einen kürzeren Zeitraum bei dem Unternehmen beschäftigt gewesen sein, heißt es. Ob auch die beiden Personen, deren Wohnungen in Helsa und Fuldabrück zuletzt durchsucht worden waren, beim selben Arbeitgeber beschäftigt sind, wollte das Unternehmen nicht kommentieren.

    Zeugen fallen in der Tatnacht verdächtige Autos auf

    Update, 12.15 Uhr: Einem Zeugen waren in der Nacht der Tat zwei Autos aufgefallen, die auffällig durch den Wohnort Lübckes fuhren. Der VW Caddy, der auf Stephan E.s Frau zugelassen sein soll, konnte bereits ausfindig gemacht werden. Jetzt wurde in der Nähe des Wohnhauses ein Skoda gefunden, den der Tatverdächtige von seinem Schwiegervater übernommen haben soll, wie die *hna berichtet. Der Schlüssel zu dem Auto wurde bei der Hausdurchsuchung der Wohnung Stephan E.s im CD-Fach eines Radios entdeckt. 

    Update, 10.50 Uhr: Markus H., Tatverdächtiger im Mordfall Walter Lübcke, soll Stephan E. in den Schützenclub 1952 eingeführt haben. Gemäß des widerrufenen Geständnisses von E. soll ihn H. auch zu der Bürgerversammlung in Lohfelden gebracht haben, auf der der mutmaßliche Täter erstmalig auf Walter Lübcke traf. Davor habe E.sich von der rechtsextremen Szene gelöst. 

    Update, 9. Juli 2019, 9.30 Uhr: Der Dresdner Anwalt des tatverdächtigen Rechtsextremen Stephan E., Frank Hanning, hat laut Spiegel-Informationen Strafanzeige wegen „Geheimnisverrats“ gestellt. Informationen aus dem mittlerweile widerrufenen Geständnis seien an die Öffentlichkeit gelangt. Diese könnten laut Hanning „nur aus der originalen Ermittlungsakte der Bundesanwaltschaft stammen“. 

    Viele der Details der 300-seitigen Schrift habe er aus der Presse erfahren. „Es muss jemanden in den Ermittlungsbehörden geben, der diese Informationen gezielt an die Öffentlichkeit bringt“, so Hannig gegenüber dem Spiegel. Die Bundesanwaltschaft hat sich zu den Vorwürfen noch nicht geäußert, derweil wird die Anzeige von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe bearbeitet. 

    „Die Rechte“ plant Demonstration in Kassel

    Update, 15:46 Uhr: "Die Rechte" plant am Samstag, 20. Juli, eine Demonstration und mobilisiert zu einem Aufmarsch in Kassel. Dabei soll die Demonstrationsroute auch am Regierungspräsidium vorbeiführen. Die Kundgebung soll unter dem Motto "Gegen Pressehetze, Verleumdung und Maulkorbphantasien" stattfinden. Der Bundesvorsitzende der Rechten, Sascha Krolzig, kündigte bei einem Rechtsrock-Festival an, "dass das rechte Lager wieder in die Offensive" gehen soll. Die Antifa hat Gegenmaßnahmen angekündigt. 

    Update, 8. Juli 2019, 7.10 Uhr:Stephan E., der Tatverdächtige im Mordfall Lübcke, soll einem Medienbericht zufolge in seinem inzwischen zurückgezogenen Geständnis angegeben haben, die Tat schon seit Jahren erwogen zu haben. Mindestens zwei Mal, 2017 und 2018, sei Stephan E. demnach zum Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gefahren, mit der Waffe in der Tasche, berichten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR am Sonntag online. 

    Hinterher sei er der zurückgezogenen Schilderung zufolge froh gewesen, die Tat nicht ausgeführt zu haben. Als er Lübcke schließlich am 2. Juni doch ermordet habe, sei dies wortlos geschehen. 

    Kölner Silvesternacht und Lübcke-Aussage als Tatmotiv?

    Anlass war möglicherweise eine Informationsveranstaltung über die Aufnahme von Flüchtlingen 2015, bei der Lübcke gesagt hatte, wer „die Werte“ nicht teile, könne das Land verlassen. Ausschlaggebend für die Idee seien dann die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht 2015/16 gewesen, aber auch der islamistische Anschlag mit mehr als 80 Toten 2016 in Nizza. Das alles habe ihn ungeheuer aufgewühlt, sagte E. den Angaben zufolge in seiner ursprünglichen Darstellung. 

    Darüber geredet habe er mit niemandem, auch nicht mit den der Beihilfe verdächtigten Markus H. und Elmar J. Den Ausschlag gegeben habe dann der Mord von Islamisten an zwei jungen Frauen aus Norwegen und Dänemark im vergangenen Dezember in Marokko. 

    Stephan E. soll von Depressionen berichtet haben

    Aus der rechtsextremistischen Szene wolle sich E. laut seiner zurückgezogenen Aussage zwischenzeitlich gelöst haben, und zwar nach seiner Verurteilung wegen eines Angriffs auf Gewerkschafter 2009 in Dortmund, berichteten die Medien. Die Entscheidung, sich Waffen zu besorgen, habe er demnach bereits 2014 getroffen – um seine Familie vor der angeblich überhandnehmenden Kriminalität von Ausländern zu schützen. E.s Freund H. soll ihn an J. vermittelt haben, der dann ein ganzes Arsenal an Waffen besorgt haben soll, darunter eine Maschinenpistole des Typs Uzi. In dem zurückgezogenen Geständnis habe E. auch angegeben, der Mord tue ihm „unendlich leid“, niemand solle für seine Worte sterben müssen. Was er Lübckes Familie angetan habe, sei „unverzeihlich“, zitierten die Medien seine ursprüngliche Aussage. 

    In der Untersuchungshaft soll E. laut den Berichten von Depressionen berichtet haben und inzwischen auf die Krankenabteilung verlegt worden sein. 


    Update, 5. Juli, 14:30 Uhr: Wie zunächst die HNA berichtete, war der mittlerweile ebenfalls verhaftete Freund von Stephan E., Markus H., bereits rund um den Mord an Halit Yozgat ins Visier der Ermittler geraten sein. Markus H. war damals ungewöhnlich oft auf einer Internetseite der Polizei, die sich mit der Tat befasste. 2006 hatte H. erklärt, dass er in einem Haus mit einer türkischen Familie wohne, deren Sohn eng mit Halit Yozgat befreundet gewesen sei.

    Halot Yozgat wurde am 6. April 2006 in seinem Intenetcafé in Kassel erschossen. Die Tat wird heute der rechtsterroristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zugerechnet. Zum Gedenken an Halit Yozgat wurde in Kassel ein Platz umbenannt, der nun den Namen „Halitplatz“ trägt.

    Ab 2020 will die Stadt Kassel zudem den so genannten „Kasseler Preis als Zeichen gegen Rassismus, Ausgrenzung, Extremismus, politisch motivierte Gewalt und Antisemitismus“ verleihen. Mit dem neuen Preis, so heißt es, sollen wissenschaftliche Arbeiten oder Initiativen ausgezeichnet werden, die sich „mit Extremismus, Rassismus und Antisemitismus auseinandersetzen“.

    Justiz ermittelt wegen Aussagen von Pegida-Demonstranten zu Lübcke-Mord

    Update um 12.46 Uhr: Nach den rechtfertigenden Äußerungen von Teilnehmern einer Pegida-Demonstration über die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat sich die Justiz eingeschaltet. Es seien Verfahren gegen Unbekannt wegen der Belohnung und Billigung von Straftaten eingeleitet worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Lorenz Haase, am Freitag. 

    Es werde aber auch geprüft, ob weitere Straftatbestände wie Volksverhetzung hinzukämen. Ob Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft eingegangen seien, könne er derzeit noch nicht sagen. Auch der „Tagesspiegel“ hatte über die Schritte der Justiz berichtet.

    Pegida-Demonstranten äußern sich vor laufender Kamera zum Lübcke-Mord

    Update vom 5.7., 11:30 Uhr: Wie HNA.de* berichtet, ist Markus H., der mittlerweile in Untersuchungshaft sitzt, schon bei den Ermittlungen zum Mordfall Halit Yozgat ins Visier der Polizei gerückt. Yozgat war 2006 mutmaßlich das letzte Opfer des NSU. H. war damals ungewöhnlich oft auf einer Internetseite der Polizei, die sich mit der Tat befasste. 2006 hatte H. erklärt, dass er in einem Haus mit einer türkischen Familie wohnt, deren Sohn eng mit Halit Yozgat befreundet war. Er habe sich deshalb für den Fall interessiert.

    In dem Haus wurde H. in der vergangenen Woche festgenommen. Der Polizeibeamte, der die Vernehmung im Yozgat-Mordfall geführt hatte, soll damals nicht vermerkt haben, dass H. der rechten Szene angehört. E. und H. sollen beide an dem Angriff auf die DGB-Kundgebung in Dortmund im Jahr 2009 beteiligt gewesen sein.

    Update vom 5.7., 6:30 Uhr: Reporter des ARD-Magazins „Kontraste“ haben am Rande einer Kundgebung des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses in Dresden am Montag Teilnehmer nach ihrer Ansicht zum Mord an Lübcke gefragt, der Beitrag wurde am Donnerstagabend ausgestrahlt. Ein Befragter sagte in dem Beitrag, im Vergleich zur linksextremen Gefahr sei ein Mord, „alle zwei, drei Jahre, aus irgendwelchen Hass-Gründen, relativ normal“. Ein anderer sagte auf die Frage, ob Mord eine menschliche Reaktion sei: „Ja, wie es in den Wald hinein gerufen wird, so schallt‘s wieder raus.“

    Pegida-Entgleisungen: Stimmen Sie ab

    Politiker mehrerer Parteien haben sich über diese Aussagen von Pegida-Demonstranten zum Mord an Walter Lübcke entsetzt gezeigt. Auch auf Twitter waren viele Nutzer empört, darunter ebenfalls Politiker. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet schrieb in dem sozialen Netzwerk: „In was für Zeiten leben wir, in denen vor laufender Kamera offen ein Mord gutgeheißen wird?“ Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende fügte hinzu: „Man erschaudert vor diesen Abgründen.“ Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz meinte auf Twitter zu der Kurzversion des „Kontraste“-Beitrags: „Eine Minute, in der es einem kalt den Rücken runter läuft.“

    Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach twitterte: „Die #Pegida Leute können einem wirklich Angst machen. Menschen, die über einen ermordeten demokratischen Politiker wie #Lübcke schadenfroh Spott absondern, sind zu allem fähig.“

    Kasseler Regierungspräsident Lübcke wurde am 2. Juni getötet

    Walter Lübcke wurde am 2. Juni 2019 vor einem Wohnhaus in Wolfshagen-Istha durch einen Kopfschuss getötet. Der CDU-Politiker war für sein Engagement und seine flüchtlingsfreundliche Haltung bekannt und in der rechten Szene verhasst. Seit 2015 war er im Netz rechter Hetze ausgesetzt, an der sich neben Neonazis auf AfD-Politiker beteiligten. Morddrohungen waren die Folge, Lübcke stand mehrfach unter Polizeischutz.

    An 2. Juni nun wurde er mutmaßlich von dem hessischen Neonazi Stephan E. ermordet. Der Rechtsextreme, der der Polizei bekannt war und wegen mehrerer Gewaltdelikte vorbestraft ist, hielt sich im Umfeld der NPD auf, war unter anderem bei der gewaltbereiten Nazi-Gruppe „Combat 18“ aktiv und an einer Demonstration der „Autonomen Nationalisten“ beteiligt. Die Bundesstaatsanwaltschaft hat mittlerweile die Ermittlungen übernommen und stuft die Tat als rechten Terror ein. 

    Hier lesen Sie die Chronologie des Mords an Lübcke

    E. hatte zunächst den Mord gestanden und die Ermittler zu der Tatwaffe geführt. Zudem nahm die Polizei zwei weitere Personen, Markus H. und Elmar J., fest, die im Verdacht der Mittäterschaft stehen. Wie jetzt bekannt wurde, soll der Waffenbeschaffer Markus H. gemeinsam mit E. auf der Bürgerveranstaltung gewesen sein, auf der Walter Lübcke die Rede gehalten hatte, die ihm so viel Hass einbrachte. „Da muss man für Werte eintreten und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist, das ist die Freiheit eines jeden Deutschen“, waren die Worte, die eine Rolle im Mordfall spielen sollen, wie Stephan E. laut „Süddeutscher Zeitung“ selbst aussagte. Beide sollen sich im Umfeld des rassistischen Kasseler Pegida-Ablegers aufgehalten haben. 

    Mit einem Wechsel seines Anwalts widerrief E. sein Geständnis, aktuell wird er vertreten durch den Dresdner Juristen Frank Hanning, der selbst in der rechten Szene kein Unbekannter ist. (dpa/ktho/tab)

    Das könnte Sie auch interessieren

    50 Shades of Braun – Warum und wie man Nazi wird

    Der Neonazi-Aussteiger Christian E. Weißgerber stellt sich selbstkritisch der Frage und der Verantwortung, warum er ein Nazi war.

    Tod von Lübcke verhöhnt: Kreispolitiker fordern Rücktritt von AfD-Mann Reschke

    * HNA.de und fr.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

    DAX: Schlusskurse im Späthandel am 10.07.2019 um 20:30 Uhr

    Previous article

    Video zeigt dritten Zitteranfall von Merkel – das soll die Kanzlerin dabei gemurmelt haben

    Next article

    You may also like

    Comments

    Leave a reply

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    More in Politik