Kultur

Lena Meyer-Landrut über Mobbing und ihr neues Album

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Mit einem mutigen Posting hat Lena Meyer-Landrut ein wichtiges Thema angestoßen: Cybermobbing. Im Interview mit dem stern berichtet die Sängerin von ihren persönlichen Erfahrungen – und welchen Einfluss die auf ihr neues Album hatten.

Sängerin Lena Meyer-Landrut

Lena, Sie haben vergangene Woche ein Statement gegen Cybermobbing gesetzt. Sind die Worte alle so gefallen?

Ja. Aber es gab noch viel schlimmere Beschimpfungen. Die möchte ich nicht aussprechen, weil sie so schlimm sind. Leider geht das nicht nur mir so. Viele Leute werden täglich bepöbelt. Das sind oft sehr persönliche Sachen: Es geht um die Figur, den familiären Hintergrund oder die Hautfarbe. Sowas wird einem täglich an den Kopf geworfen, damit müssen wir umgehen. Man kann daraus aber am Ende stärker hervorgehen.

Sie reden jetzt sehr entspannt darüber. Haben Sie das Mobbing nicht persönlich genommen?

Total. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, das wäre kein Problem für mich. Das ist ein Riesenproblem gewesen. Und ich kann mich auch jetzt nicht davon freisprechen. Anfangs haben mich die vielen negativen Kommentare sehr beeinflusst. Die Folge war, dass ich zugemacht habe. Dadurch habe ich eine kalte Art an den Tag gelegt, die eigentlich gar kein Teil von mir ist. Das hat mich an mir selbst total gestört.

 Weil Sie bei jeder Äußerung daran dachten, was andere darüber sagen könnten?

Genau. Ich hatte gar kein Vertrauen mehr, wenn ich etwas gepostet oder mich mit anderen ausgetauscht habe. Ich habe mich zurückgezogen und eine Arroganz ausgestrahlt, um mich zu schützen. Ich habe irgendwann gemerkt: Das fühlt sich gar nicht nach mir selber an, ich bin eigentlich gar nicht diese Person.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Ich wollte das für mich ändern, mich selber und meine Mitte wiederfinden. Es wurde ja breit darüber berichtet, dass ich in einer Art Krise stecke. Für mich war das eher eine Auszeit und Chance zur Veränderung. Es gab so viel Lärm von außen, und ich musste  zumachen und in mich hören, was ich eigentlich möchte. Das hat sehr gut funktioniert. Mein Bewusstsein für mich selber konnte ich später im Studio komplett für mich nutzen.

Diese Krise hat also dazu geführt, dass Sie Ihr für dieses Jahr geplantes Album verschoben haben? 

Ich habe das ursprünglich geplante Album in einer Phase konzipiert, in der alles laut war. Ich habe die Songs wie mit einem Automatismus geschrieben. Dann habe ich mich gefragt: Bin ich das wirklich? Ich hab dann den Mut aufgebracht zu sagen, ich muss jetzt Ruhe haben und noch einmal von vorn anfangen, weil hier etwas nicht stimmt. Ich möchte nicht etwas aufnehmen, das nicht authentisch ist. 

Haben Sie zwischenzeitlich überlegt, sich komplett aus den sozialen Netzwerken zurückzuziehen?

Es gab Phasen, da hatte ich keine Lust, etwas zu posten, weil es ja eh wieder auseinander genommen wird, egal was ich mache. Mittlerweile weiß ich: Das ist einfach so – es wird immer Menschen geben, die nicht gut finden, was ich mache. Ich hab aber auch für mich gecheckt: Das ist okay. Das hat nichts mit mir zu tun, das ist etwas Universelles. 

“Thank you”, die erste Single aus Ihrem neuen Album, liest sich wie eine Antwort auf den Hass im Netz. Ist das eine Folge Ihrer Selbstfindungsphase?

Genau. Ich habe gelernt: Man wächst am Widerstand. Widerstand bedeutet, dass man mit viel Kraft durch eine schwere Phase geht. Je mehr Kraft man dafür aufbringen muss, desto befriedigender ist es, wenn man sie überwindet. Ich bin dankbar für diese Momente. Manchmal muss man durch den Schmerz hindurch.

Lenas neues Album “Only Love, L” erscheint am 5. April 2019

Werden sich die anderen Songs auf dem Album auch mit dem Hass im Netz auseinandersetzen?

Das Album heißt “Only Love, L”. Das schreibe ich immer unter Briefe und Emails. Unter alles, was ich in die Welt hinaussende. Weil ich den Gedanken schön finde, alles mit Liebe abzuschließen. Deswegen ist das Album sehr positiv, auch wenn es kritische oder nachdenkliche Themen enthält, die ich in der Auszeit verarbeitet habe. Es dreht sich aber auch um Liebe auf verschiedenen Ebenen, romantische Liebe wie Nächstenliebe. Es geht um Ängste, Zweifel, Selbstbewusstsein und Selbstliebe.

Das klingt sehr problembehaftet.

Überhaupt nicht. Meine Grundemotion ist Kraft und Positivität. Deswegen ist es ein sehr fröhliches Album geworden.

Was hat Ihnen in der Krisenzeit am meisten geholfen?

Die Erkenntnis, dass ein eigenes Selbstbewusstsein dazu führt, dass man nicht mehr so abhängig ist von dem Bewusstsein anderer. Und es hilft immer mit Menschen zu sprechen, denen man vertraut. 

Ihre Lyrics sind frei von Wut. Hat es Sie Kraft gekostet, nicht emotional zu reagieren?

Ich reagiere sehr emotional. Ich hab auch Wut und Unverständnis. Aber es ist wichtig, dass das nicht hängen bleibt. Dass man damit nicht seinen Alltag bestreitet, sondern einen Weg findet, das Negative hinter sich zu lassen. Man kann nur beeinflussen, wie man selbst damit umgeht. Deshalb trage ich auch niemandem etwas nach, das beschmutzt einen nur. 

Wie gehen Sie heute um mit Beschimpfungen im Netz?

Ich sehe es in dem Sinne gelassener, dass ich sage kann: Es ist nichts, das mich völlig zerstört, es ist aber auch nichts, das mich völlig kalt lässt. Ich versuche zu verarbeiten und loszulassen. Das klappt eigentlich ganz gut.

Boris Becker hat lange darunter gelitten, dass er für die meisten Deutschen der 17-jährige Leimener ist, der Wimbledon gewonnen hat. Ist es für Sie ein Problem, dass in Ihnen viele immer noch die 19-jährige Abiturientin aus Hannover sehen, die den ESC gewonnen hat?

Es gab natürlich Phasen, wo mich das total gestört hat. Dieser Moment ist aber der Grund, weshalb ich heute hier bin. Dafür bin ich unendlich dankbar. Ich darf so viele tolle Sachen machen und ich bin ein von Glück geküsstes Kind. Es gibt keinen Grund, darüber Groll zu hegen.

Sehen Sie im Video: “”Arrogante Göre” – so kreativ wehrt sich Lena Meyer-Landruth gegen Hass im Netz” 

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