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Kükenschreddern: Spektakuläres Gerichtsurteil sorgt für Wut

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Das Bundesverwaltungsgericht hat am Donnerstag das mit Spannung erwartete Urteil zum massenhaften Töten von männlichen Küken in der deutschen Geflügelwirtschaft gesprochen. 

Update 13.08 Uhr: Das CSU-geführte bayerische Agrarministerium hat ein schnelles Ende der umstrittenen Praxis gefordert. „Auch wenn sich das Gericht nicht zu den Übergangsfristen geäußert hat: Klar ist, dass das Kükentöten schnellstmöglich beendet werden muss“, sagte ein Ministeriumssprecher in München. Dazu müssten die Verfahren zur Geschlechtsbestimmung oder die Züchtung von Zwei-Nutzungs-Hühnern jetzt rasch zur Praxisreife geführt und flächendeckend etabliert werden. Zwei-Nutzungs-Hühner können sowohl zum Eierlegen als auch zum Schlachten gehalten werden.

Bis zur Einführung alternativer Verfahren zur Geschlechtsbestimmung wurde das Töten der männlichen Küken von Leipziger Richtern als weiter zulässig eingestuft.

Aus Sicht des Ministeriums ist dieser Punkt längst erreicht: „Die Geflügelwirtschaft hat sich bereits vor Jahren gemeinsam mit der Wissenschaft und unterstützt von der öffentlichen Hand auf den Weg gemacht, um Alternativen zum Kükentöten zu entwickeln“, sagte der Sprecher. Mit den Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei und der Zucht von Zwei-Nutzungs-Hühnern beispielsweise stünden Möglichkeiten zur Verfügung, das Töten zu beenden. „Diese Möglichkeiten müssen jetzt auch schnellstmöglich flächendeckend genutzt werden.“

Meldung vom 13. Juni 2019, 10.30 Uhr: Leipzig – Das Bundesverwaltungsgericht hat das massenhafte Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht vorerst noch als rechtmäßig bestätigt. Bis zur Einführung von alternativen Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei dürften Brutbetriebe männliche Küken weiter töten, urteilte das Gericht in Leipzig am Donnerstag. (BVerwG 3 C 28.16 und 3 C 29.16)

Die wirtschaftlichen Interessen der Brütereien seien zwar allein kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes. Bis Alternativen zur Verfügung stünden, sei die Fortsetzung der Praxis aber noch rechtmäßig.

Küken-Schreddern bleibt nach Gerichts-Urteil weiter erlaubt – vorerst 

Die Richter hatten abzuwägen, ob Brutbetrieben die Aufzucht der Tiere wirtschaftlich zuzumuten oder ob das Töten der Küken ethisch vertretbar ist. Männliche Küken sind für die Fleisch- und Eierproduktion ungeeignet. In der EU wird es deshalb geduldet, dass männliche Küken in der Legehennenzucht innerhalb von 72 Stunden nach ihrem Schlüpfen geschreddert oder vergast werden.

In Deutschland werden jedes Jahr rund 45 Millionen männliche Küken aus Legehennenrassen getötet – meist vergast oder geschreddert – und als Futter an Zoos abgegeben*, weil ihre Aufzucht unwirtschaftlich ist. (Az. BVerwG 3 C 28.16)

Urteil: Küken-Schreddern soll bald ein Ende haben

Aber: Wirtschaftliche Interessen seien für sich genommen kein "vernünftiger Grund" für das Töten der männlichen Küken, so das Bundesverwaltungsgericht. "Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe, aus Zuchtlinien mit hoher Legeleistung nur weibliche Küken zu erhalten", erklärte das Gericht. Anders als Schlachttiere würden die männlichen Küken zum frühestmöglichen Zeitpunkt getötet. Ihre "Nutzlosigkeit" stehe von vornherein fest.

Das Bundesverwaltungsgericht sah aber keine Möglichkeit, das Kükentöten sofort zu untersagen. Die bisherige Praxis sei "ausgehend von einer damaligen Vorstellungen entsprechenden geringeren Gewichtung des Tierschutzes" jahrzehntelang hingenommen worden. Vor diesem Hintergrund könne von den Brutbetrieben eine sofortige Umstellung ihrer Betriebsweise nicht verlangt werden.

Verbraucherzentrale Bremen begrüßt Küken-Urteil – Twitter-User nicht

Die Richter setzen für die Zukunft vor allem auf bereits bestehende Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei. Dadurch sollen männliche Küken gar nicht erst ausgebrütet werden.

Die Verbraucherzentrale Bremen begrüßt das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: „Somit wird das sinnlose Töten der männlichen Küken ein Ende finden. Wichtig ist, dass die Methoden zur Bestimmung des Geschlechtes des Kükens im Ei nun zeitnah marktreif werden und somit schnellstmöglich in die Umsetzung kommen.“

Auf Twitter sind die Meinungen dagegen eindeutig: „Ich frage mich gerade, ob irgendwo jemand sitzt, der denkt: "Ja, Gott sei Dank können wir weiter Küken schreddern, das wäre eine Katastrophe gewesen, wenn das nicht mehr erlaubt wäre."

Klöckner gegen Küken-Schreddern

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte sich vor dem mit Spannung erwarteten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gegen das massenhafte Töten von männlichen Küken ausgesprochen. "Das Kükentöten ist ethisch nicht vertretbar und muss so schnell wie möglich beendet werden", sagte Klöckner der Düsseldorfer "Rheinischen Post" vom Donnerstag. "Tiere nach Geburt sofort wieder zu töten, weil sie ein bestimmtes Geschlecht haben, das darf nicht sein."

Ihr Ministerium fördere mit mehr als acht Millionen Euro verschiedene Verfahren und Initiativen, die das Kükentöten zukünftig überflüssig machen sollen, sagte Klöckner. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, sagte der "Rheinischen Post", dass es schon eine serienreife Technik zur Geschlechtsbestimmung im Ei gebe, die das Schlüpfen und damit auch das Töten männlicher Küken verhindern könne. Die Kosten lägen bei weniger als zwei Cent pro Ei.

Video: Dank Technik zur Geschlechtsbestimmung

Küken-Töten: Brütereien klagten erfolgreich

Auslöser für das Verfahren ist ein Erlass aus dem Jahr 2013 des damals von den Grünen geführten Landwirtschaftsministeriums in Nordrhein-Westfalen, mit dem das Kükentöten untersagt werden sollte. Dagegen klagten Brütereien erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen entschied, dass das Töten der Küken mit dem Tierschutzgesetz vereinbar sei. Das Bundesverwaltungsgericht muss nun abschließend entscheiden.

Getötete Küken: Undercover-Tierschützerin bringt bekannten Bio-Zuchtbetrieb zu Fall

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