Politik

Ilse Aigner: Darum sind Frauen schwerer vom Mitmachen in der Politik zu begeistern

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Ilse Aigner sammelte in einer Männerdomäne Erfahrung, ehe sie politisch aktiv wurde. Die Landtagspräsidentin spricht über das politische Engagement von Frauen und Strukturen der CSU.

Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner (54) hat sich in den letzten Wochen auch mal öffentlich mit Parteifreunden angelegt, wenn es um mehr Einfluss für Frauen in der Politik ging. Die CSU-Politikerin aus Oberbayern ist seit 1983 selbst aktiv, zunächst in der Jungen Union. Sie gehört seit 1994 mit Unterbrechungen dem Landtag an und führte mehrere Ministerien in Berlin und München.

Frau Aigner, warum mischen Sie sich dauernd in die Politik ein, statt am Herd zu stehen?

Ilse Aigner (lacht): Vielleicht, weil ich eine schlechte Köchin bin…

Im Ernst: Sind Sie zu Beginn Ihrer Karriere mit solchen Vorbehalten konfrontiert worden? 

Aigner: Ich habe vor der Politik einen technischen Beruf gelernt. In der Ausbildung, allein unter 100 Männern, habe ich mich daran gewöhnt, dass ich oft gefragt werde, ob das für mich das Richtige ist. Sie standen auf Dächern, haben Antennen montiert, Sie haben gelernt, wie man Hubschrauber baut. Ist das das Rüstzeug für eine Laufbahn in der männerdominierten CSU? Ganz sicher war es eine gute Schule, sich in Bereichen durchzusetzen, die nicht vordergründig ein Frauenmetier waren. In der Politik, in der CSU, bin ich dann auf Kreisverbände gestoßen wie in Starnberg, wo die Frauen in Funktionen fast in der Mehrheit waren. Und auf andere Landkreise, wo man als Frau ziemlich allein war.

Warum ist Politik nach 100 Jahren Frauenwahlrecht so oft Männersache? 

Aigner: Ich würde mir mehr Frauen in der Politik wünschen. Leider ist es oft schwieriger, sie zum Mitmachen in der Politik zu begeistern. Das hat vor allem zwei Gründe. Noch immer hinterfragen sich Frauen zu kritisch: „Kann ich das, schaff ich das?“ So etwas höre ich nie von Männern. Zum anderen werden ihnen Fragen gestellt, die ein Mann nie beantworten müsste: „Ministerin und drei Kinder, wie geht das?“ Da brauchen wir ein Umdenken.

Ilse Aigner: „Bei jüngeren Frauen tun wir uns zunehmend schwer“

100 Jahre Frauenwahlrecht – wären Sie, sagen wir mal 1918, für Ihr Wahlrecht auf die Straße gegangen? 

Aigner: Ja, ich denke schon.

Hätten Sie es sich auch vor 2011 in Saudi-Arabien getraut? 

Aigner: Zugegeben: Da wäre es schon etwas schwieriger. Ich hatte darüber mal auf einer internationalen Konferenz mit einem Vertreter des Königreichs intensiv diskutiert. Er hat eindringlich mir versucht zu erklären, dass man seine Bevölkerung nicht überfordern dürfe. Überzeugt hat er mich damit nicht.

Interessanterweise wählen statistisch gesehen Frauen doch konservativer als Männer, auch seltener radikale Ränder… 

Aigner: Das ist auch eine Frage des Alters. Gerade ältere Frauen wählen eher CSU-nah, bei jüngeren Frauen tun wir uns zunehmend schwer. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen bei ihren Wahlentscheidungen grundsätzlich langfristiger denken, über die Grenzen einer Wahlperiode hinaus.

Sind die Themen zu einseitig verteilt? Bayerns Kabinett: Innenminister immer ein Mann. Sozialministerin oder Gesundheit: Frauen. 

Aigner: Das mag aktuell so sein, aber ich sehe darin keinen Automatismus. Zwei Gegenbeispiele: Annegret Kramp-Karrenbauer war im Saarland eine erfolgreiche Innenministerin. Und auch ich war in verschiedenen Fachgebieten unterwegs: Agrar, Haushalt, Wirtschaft, Bau.

Sie waren für eine Quote in der CSU. Sind Sie auch dafür, Aufstellungsversammlungen zu quotieren? 

Aigner: Wir können für Direktmandate keine Quote von oben vorgeben. Die Partei entscheidet frei vor Ort, wen sie für Parlamente aufstellt. Aber in unseren Delegiertensystemen müssen wir die Frauenpräsenz deutlich erhöhen. Das ist wäre ein sehr wichtiger Schritt. Wir brauchen deutlich mehr Ausgewogenheit.

Zuletzt ist der Frauenanteil im Bundestag gesunken, im Landtag auch. Sind wir sicher auf dem richtigen Weg? 

Aigner: Ich will mich von solchen Rückschritten nicht entmutigen lassen. Ich empfinde das als Auftrag, härter daran zu arbeiten. Jede Partei, auch meine, hat verstanden, dass ohne Frauen in Zukunft keine Politik zu machen ist.

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