Kultur

Charles Manson: Der kalifornische Albtraum – wie er die Kultur beeinflusst hat

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Die Hippies träumten noch von einer besseren Welt, da beerdigte Charles Manson mit einer grausamen Mordserie die Gegenkultur im Alleingang. Und beeinflusst noch Jahrzehnte später die Popkultur.

Er sah in den späten 60er-Jahren aus wie ein Hippie. Doch Charles Manson hatte keine friedliche Welt im Sinn. Der Sektenführer stiftete seine Anhänger zu einer brutalen Mordserie an.

Die späten 60er Jahre waren in den USA die Zeit der großen Umbrüche. Träume von einer anderen, besseren Welt blühten. Gleichzeitig war die Gegenwart gewalttätig wie nie zuvor. Das Land verstrickte sich im fernen Vietnam in einen blutigen Krieg, und innenpolitisch entluden sich die Spannungen zwischen der Staatsmacht und der rebellierenden Jugend immer öfter in gewalttätigen Auseinandersetzungen. Mitten drin steckte ein verwirrter Mann, der sich seinen eigenen Reim auf die Dinge machte: Charles Manson.

Zum Zentrum der Gegenkultur entwickelte sich in der zweiten Hälfte der 60er Jahre Kalifornien. Dort schufen junge Menschen einen neuen Lebensstil, der sich durch die Ablehnung der Konsumgesellschaft und die Opposition zum Vietnam-Krieg kennzeichnete. Symbol dieser neuen Kultur waren lange Haare, Rockmusik, der Konsum von bewusstseinserweiternden Drogen wie LSD und freie Liebe. Die bevorzugte Lebensform war die Kommune. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zog es auch Charles Manson 1967 an die Westküste. Er zog zunächst ins Epizentrum der neuen Bewegung, in den Hippie-Distrikt Haight-Ashbury in San Francisco. Da war er schon 32 – viel älter als das Gros der zumeist jugendlichen Aussteiger.

Sein Alter, seine Lebenserfahrung sowie sein manipulativer Charakter halfen ihm dabei, schon bald seine eigene Gruppe um sich zu scharen, die sich “The Family” nannte. Die Mitglieder waren nicht nur deutlich jünger, es waren vor allem Frauen, die sich Manson anschlossen, der wie ein Guru auftrat und seine Anhänger mit Sex und Drogen gefügig machte. 

Charles Manson sah aus wie ein Hippie

Nach außen hin ähnelte die Manson-Family mit ihren langen Haaren und ihrer freie Liebe praktizierenden Lebensweise hunderter anderer Kommunen, die sich in jener Zeit in Kalifornien gebildet hatten. Doch das täuschte. Denn auch Charles Manson sah zwar aus wie ein Hippie – er vertrat ideologisch jedoch konträre Positionen. Er war ein strammer Rassist, glaubte an die Überlegenheit der weißen Rasse und prophezeite für das Jahr 1969 einen blutigen Rassenkrieg. Den, so glaubte er, würden die Afroamerikaner zwar gewinnen, doch aufgrund der “sklavischen Natur ihrer Rasse” wären sie unfähig, sich selbst zu führen – und würden ihn, Charles Manson zum neuen Herrscher über die Welt bestimmen. Die 1969 einsetzende Mordserie hatte den Zweck, “den dummen Schwarzen zu zeigen, wie man Weiße tötet” – um den von ihm vorausgesagten Rassenkrieg auszulösen.

So verrückt das alles klingt: Es ist diese krude Ideologie, die sich aus vielen Versatzstücken der Popkultur jener Zeit speist, die Charles Manson zu einer so bedeutenden Figur machen und seinen lang anhaltenden Einfluss erklären. Eine besondere Rolle nahmen die Beatles ein: Während seiner Haftzeit eroberte die Band Amerika – Manson wurde fanatischer Fan und wollte selbst Popstar werden. Er begann, exzessiv Gitarre zu üben und Songs zu schreiben.

In allen weiteren Überlegungen spielten die Fab Four eine bedeutende Rolle So hielt er die Musiker für die vier Engel der Apokalypse. Den Zustand vor dem anstehenden Rassenkrieg nannte er nach einem ihrer Songs “Helter Skelter” – und glaubte darin eine Botschaft rauszuhören. “Healter Skelter” – versehentlich falsch geschrieben – hatten Mitglieder der Family 1969 mit Blut an den Kühlschrank eines der Mordopfer geschmiert. 20 Jahre später unternahm U2-Sänger Bono auf dem Album “Rattle and Hum” eine Ehrenrettung: “This Song Charles Manson stole from the Beatles”, kündigte der Ire seine Version von “Helter Skelter” an. “We steal it back.”

Kontakt mit den Beach Boys

Doch Manson kam der Popkultur deutlich näher. Er freundete sich mit Dennis Wilson von den Beach Boys an – jener Band die wie keine Zweite für die Unschuld der amerikanischen Popkultur stand. Ein dem Massenmörder geschriebener Song schaffte es auf ein Album der Band: “Cease to Exist” erschien unter dem Titel “Never Learn not to Love” 1969 auf der LP “20/20”. Dennis Wilson hatte den Song überarbeitet und Manson namentlich nicht erwähnt – was diesen furchtbar verärgerte. Er drohte sogar mit der Entführung von Dennis Wilsons Sohn.

Wie ernst diese zu nehmen war, zeigte sich kurz bei Mansons Bekanntschaft mit Terry Melcher, dem Sohn von Schauspielerin Doris Day. Der bekannte Produzent hatte es nach anfänglichem Interesse abgelehnt, Mansons Songs zu veröffentlichen. Im Sommer 69 musste er zeitweise untertauchen – aus Angst vor dem irren Kommunarden.

Der beging seinen wohl berühmtesten Mord im Haus, in dem Melcher bis vor kurzem gewohnt hatte. Nun lebte dort die Schauspielerin Sharon Tate, Ehefrau von Regisseur Roman Polanski. In der Nacht des 8. August 1969 drangen Mitglieder der Family auf Mansons Geheiß in das Haus ein und ermordeten die hochschwangere Frau sowie vier Freunde.

Manson besiegelte das Ende der Gegenkultur

Es war diese Tat, die fortan das Bild der Gegenkultur zu überlagern drohte. Man nahm sie nicht mehr als langhaarige, kiffende Hippies wahr, die friedlich zusammen Rockmusik hörten und von einer besseren Welt träumten. Stattdessen wurde die Bewegung plötzlich als etwas Dunkles, Gefährliches wahrgenommen. Es gab weiter Hippies und Kommunen, doch die Unschuld war dahin. Misstrauen machte sich breit unter Menschen, die zuvor ihre Türen für jedermann offen stehen hatten. Manson trug einen großen Teil dazu bei, dass sich die Träume von einem anderen Amerika schnell verflüchtigten.

Den Nachhall dieses Umschwungs kann man in Don Siegels 1971 entstandenen Thriller “Dirty Harry” sehen. Die dort gezeigten Verbrechen gehen zwar auf das reale Vorbild des Zodiac-Killers zurück – der wird jedoch als Zögling der Gegenkultur gekennzeichnet. Ohne Manson wäre das wohl nicht möglich gewesen.

Bekannte Bands coverten seine Songs

Auch nach seiner Festnahme und Verurteilung blieb Charles Manson eine einflussreiche Figur. 1970 erschien sein Plattendebüt “Lie: The Love and Terror Cult”, das Aufnahmen der Jahre 1967 und 68 enthält. Im Laufe der Jahre wurden Songs dieses Albums immer wieder von bekannten Bands gecovert. Etwas von Gun N’Roses, den Lemonheads und Marilyn Manson, der die Erinnerung an den Massenmörder in seinem Namen trägt.

Ob Romane, Filme oder Songs – immer wieder setzten sich Künstler mit den Ereignissen des Sommers 1969 auseinander. Zuletzt beschäftigte sich die amerikanische TV-Serie “Aquarius” mit David Duchovny mit Charles Manson und seiner Family.

All das zeigt: Ein halbes Jahrhundert später ziehen die Taten des Massenmörders noch immer die Menschen in seinen Bann. Mansons Tod am 19. November 2017, wenige Tage nach seinem 83. Geburtstag, dürfte daran wenig ändern.

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