Politik

Brexit-Aufschub für ein Jahr – May mit Bitt-Brief an EU

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Das Unterhaus darf dem Parlamentspräsidenten zufolge nur erneut über die Brexit-Vereinbarung abstimmen, wenn es echte Änderungen daran gibt. Nicht der einzige Dämpfer für Theresa May.

Update vom 19. März, um 17.00 Uhr: Die britische Regierungschefin Theresa May will die EU mit einem Brief von einer Brexit-Verschiebung überzeugen. May werde in dem Schreiben an EU-Ratspräsident Donald Tusk eine Fristverlängerung beantragen, sagte ihr Sprecher am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in London. Der Brief solle noch im Laufe des Tages, spätestens aber am Mittwoch versandt werden.

Berichten zufolge will May erreichen, dass der geplante EU-Austritt um ein Jahr verschoben wird. Ihr Sprecher machte dazu keine Angaben. Bislang ist vorgesehen, dass Großbritannien die EU am 29. März verlässt.

Die anderen 27 EU-Staaten müssten einen Brexit-Aufschub einstimmig billigen. Sie verlangen dafür klare Lösungsvorschläge von London. Die Verlängerung der Frist über den 29. März hinaus sei "weder selbstverständlich noch automatisch", hieß es am Dienstag aus dem Elysée-Palast in Paris.

„Ich sehe mich außerstande …“: Merkel erhöht Druck auf May und stellt Brexit-Bedingungen

Update vom 19. März, um 13.06 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will mit aller Kraft ein chaotisches Ausscheiden Großbritanniens aus der EU vermeiden. "Ich werde bis zur letzten Stunde der Laufdauer des 29. März dafür kämpfen, dass wir noch zu einem geordneten Austritt kommen", sagte Merkel am Dienstag in Berlin auf einer politischen Konferenz. Es gebe "immer noch einige Tage Zeit" für eine Einigung auf einen geordneten Brexit.

Die Kanzlerin ließ Ratlosigkeit angesichts der verfahrenen politischen Lage in London erkennen, wo der Parlamentspräsident am Montag unerwartet eine neuerliche Abstimmung über den Brexit-Vertrag absagen ließ. Im Moment sei "viel zu viel im Fluss", um die weitere Entwicklung auf dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel vorauszusagen, sagte sie.

Merkels Entscheidung hängt von London ab

"Ich sehe mich jetzt zu dieser Stunde außerstande, irgendwie zu mutmaßen, wofür ich am Donnerstag sein werde", sagte Merkel. Dies hänge "unglaublich" von den nächsten Schritten der britischen Premierministerin Theresa May und dem weiteren Geschehen im Londoner Unterhaus ab.

"Insofern werden wir jetzt sehr aufmerksam verfolgen, wie die britische Regierung auf das, was gestern im Parlament gesagt wurde, reagiert und dann mit der Situation umgehen", sagte Merkel. Derzeit könne sie die Situation "nicht bewerten".

Am Donnerstag kommen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu Beratungen über den Brexit zusammen. May dürfte die EU-Kollegen darum bitten, das bislang für den 29. März festgelegte Austrittsdatum zu verschieben. Allerdings sind noch viele Detailfragen offen.

Update vom 19. März, um 12.42 Uhr: Nach dem Aus für eine dritte Abstimmung über Theresa Mays Brexit-Plan ist die britische Regierung am Dienstag zu Beratungen über das weitere Vorgehen zusammengekommen. Brexit-Minister Stephen Barclay warb vor der Kabinettssitzung in London abermals für das Abkommen, das im Unterhaus bereits zwei Mal durchgefallen war: Es sei weiterhin "der beste Weg", den Brexit zu erreichen, sagte der Minister der BBC.Das aktuelle Abkommen sei das einzige, das von Seiten der EU vorliege, sagte Barcley. Habe der Vorschlag der Premierministerin keinen Erfolg, dann bestehe die Gefahr, dass es gar keinen Austritt Großbritanniens aus der EU gebe.

Bundesregierung stellt Bedingungen für Brexit-Verschiebung

Die Bundesregierung will einer Brexit-Verschiebung nur zustimmen, wenn Großbritannien einen klaren Plan für das weitere Vorgehen vorlegt. „Ich kann nur noch einmal an unsere britischen Partner in London appellieren, jetzt endlich einen konkreten Vorschlag zu machen, warum man überhaupt eine Verlängerung anstrebt“, sagte Europastaatsminister Michael Roth (SPD) am Dienstag am Rande von EU-Beratungen in Brüssel. „Eine Verlängerung ohne entsprechende klare Bedingungen wird es aus unserer Sicht nicht geben können.“

„No Deal“ wäre der schlimmste Fall

Offen ließ Roth allerdings, wie die Bundesregierung die Linie durchsetzen will. Deutschland will nämlich wie viele ander EU-Länder auch zugleich einen Brexit ohne Austrittsabkommen verhindern. „Das wäre wirklich der schlimmste Fall für die Menschen in Großbritannien, aber auch für die EU der 27“, sagte Roth zu dem Szenario eines „No Deal“.

Geheimplan und Uralt-Regel: Doppelter Brexit-Schock für Theresa May

London – Theresa May, das steht nun fest, wird den EU-Austrittsvertrag in seiner jetzigen Form nicht ein drittes Mal dem Parlament vorlegen können. Damit dürfte auch die Hoffnung gescheitert sein, vor dem Gipfel in Brüssel am Donnerstag irgendeinen Deal vom Parlament abgesegnet zu bekommen. 

Mays Unterhändler hatten sich zu diesem Zeitpunkt in Verhandlungen mit europakritischen Abgeordneten aus der eigenen Partei sowie der nordirischen DUP befunden – die stützt Mays Tory-Regierung – als der "Speaker" des britischen Unterhauses, John Bercow, am Montagnachmittag in einer überraschenden wie kurzfristig anberaumten Intervention klarmachte, dass es nach den prozeduralen Regeln des Hauses nicht zulässig sei, wenn dem Parlament wieder und wieder die gleiche Frage vorgelegt werde. Diese Regeln hätten schon seit dem 17. Jahrhundert Bestand.

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Brexit-Deal: May scheiterte bereits zweimal im Unterhaus

May hatte ihren Deal bereits zweimal nicht durch das Parlament boxen können, zuletzt vergangenen Dienstag. Auch im dritten Anlauf war es mehr als fraglich, ob sie die erforderliche Mehrheit dafür bekommen würde – zumal sie dazu dutzende Abgeordnete hätte "bekehren" müssen. Die zweite Abstimmung vergangene Woche habe er zugelassen, weil die Regierung in Brüssel juristisch bindende Zusicherungen zur Auffanglösung für Nordirland ausgehandelt habe. Doch nun stand May gar ohne Neuerungen im Vertrag da. Dies sei dem Parlament nicht zuzumuten, so Speaker Bercow. 

Die Erklärung rief bei den Torys teils massive Verärgerung hervor. Bercow machte jedoch auch klar, dass die Sache anders aussehe, wenn etwa in Verhandlungen mit der EU das Austrittsabkommen in der Sache geändert würde. Das hatte Brüssel aber bis zuletzt strikt abgelehnt.

Jetzt liegen wieder alle Brexit-Optionen auf dem Tisch

Dass nun also ein Gesetz aus dem Jahr 1604 Theresa May einen Strich durch die Rechnung macht, wirkt ganz so, als seien höhere Mächte am Werk, die keinesfalls zulassen möchten, dass May ihren Deal ins Ziel bringt. Doch so ist es nicht. Eine "in der Substanz" wortgleiche Vorlage dürfe nicht mehr eingebracht werden, so Bercow. Es geht also schlicht um von Menschen gemachte Gesetze. Würde es nicht um so viel gehen, es wäre eines der Dinge für ein Kuriositätenkabinett zum Brexit.

So liegen nun erneut alle Optionen auf dem Tisch, ganz so, als wären sie immer da gewesen: No-Brexit-Deal, Misstrauensantrag gegen Brexit-Premierministerin Theresa May, oder sollte sie gar selbst endgültig ihren Hut nehmen? Als weitere Option bliebe natürlich die Brexit-Verschiebung im Repertoire. Da muss aber die EU mitspielen.

May muss nun erneut improvisieren. Ohne eine erneute Abstimmung über den Deal am Donnerstag nach Brüssel zu kommen, mit schweren Niederlagen im Gepäck, dürfte die Sache nicht leichter machen.

Brexit-Verschiebung: Auch das ist nicht innerhalb der EU gesichert

Denn jetzt muss May entweder grundlegende Kompromisse mit der Opposition eingehen – um vielleicht doch noch einen Deal zu erlangen – oder massive Zugeständnisse von Brüssel einholen, um den veränderten Deal dann im Anschluss zuhause erneut dem Unterhaus zur Abstimmung zu stellen. Beide Alternativen sind jedoch schwer vorstellbar. Weil sich die Europäer nicht mehr bewegen möchten und können und sich in Großbritannien selbst die Parteien innerhalb in Brexit-Befürworter und -Gegner teilen. 

So ist trotz des "Neins" im Unterhaus zum No-Deal-Szenario auch dieser wieder in den Bereich des Möglichen gerückt. Denn, stimmt die EU einer Verschiebung nicht zu und kommt es auch zu keinem neuen Detail im Vertrag, scheint das Breit-Szenario ohne Vertrag unausweichlich. Und da könnte es noch schwer werden. Denn ALLE Regierungen ALLER verbleibenden Länder müssen einer Verschiebung noch zustimmen – sollte May am Donnerstag danach bitten. Der Brexit-Beauftragten der Europäischen Volkspartei (EVP), Elmar Brok (CDU), etwa hält eine Zustimmung der EU-Staaten zu einer Verschiebung des EU-Austritts Großbritanniens für unsicher. Dazu gebe es derzeit „doch sehr unterschiedliche Auffassungen“, sagte der EU-Parlamentarier dem „Deutschlandfunk“.

Lesen Sie auch: Brexit: Britische Lastwagen dürfen auch bei No-Deal weiter durch die EU fahren oder Steuerflucht: Reichster Brite will sich nach Monaco absetzen – er ist Brexit-Befürworter

Farages Brexit-Geheimplan mit Italien: Macht er Theresa May einen Strich durch die Rechnung?

Mit einer langen Verschiebung würde sich die Europäische Union wohl ohnehin keinen Gefallen tun. Dann könnte der Wahlkampf für das anstehende Votum durch den Brexit überschattet werden. Inhaltlich relevante Dinge würden wohl wieder in den Hintergrund rücken. Populistische Äußerungen und Taktierereien dürften befürchtet werden. Einen Vorgeschmack soll Ober-Brexit Nigel Farage bereits geliefert haben: Laut dem Brexit-Befürworter schlechthin gebe es eine Absprache mit „dem starken Mann der italienischen Regierung“, Innenminister Matteo Salvini, dass Rom jede Verlängerung der Brexit-Frist ablehnen werde.

Doch May hat weitere Probleme: Offenbar diskutiert die Labour-Party erneut einen Misstrauensantrag gegen sie. Und natürlich fordern viele auch jetzt wieder, May solle endlich von sich aus gehen. Sie habe den Brexit nun endgültig gegen die Wand gefahren.

Eine Option wäre da noch, die jedoch ausgeschlossen sein dürfte: In ersten Reaktionen auf die Erklärung des Sprechers wurde von Tory-Abgeordneten aber auch diskutiert, Bercow mit einem Votum im Haus zu überstimmen. Das allerdings käme wohl einem Affront gegenüber der Opposition gleich.

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