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Autobauer Opel fährt die Ausbildung am Stammsitz zurück

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Einst zählte Rüsselsheim bis zu 180 Lehrstellen. 2018 waren es laut Betriebsrat noch 55. 2019 sollen nur 60 für den eigenen Bedarf ausgebildet werden. Weitere 60 im Verbund für andere Firmen.

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RÜSSELSHEIM – Es ist noch nicht lange her, da zählte der Opel-Stammsitz in Rüsselsheim bis zu 180 Ausbildungsplätze. Doch das ist Schnee von gestern. Im Rahmen des Sanierungsplans „Pace“ fährt die Tochter des französischen PSA-Konzerns ihre Ausbildung zurück, und zwar deutlich. Wie aus einer Mitarbeiter-Information des Opel-Betriebsrates hervorgeht, die dieser Zeitung vorliegt, stellte das Unternehmen im vergangenen Jahr gerade mal noch 55 Azubis ein.

In diesem Jahr sollen dem Flugblatt zufolge zwar insgesamt 120 Lehrlinge bei Opel ausgebildet werden, davon aber nur die Hälfte für den eigenen Bedarf. Die übrigen 60 Lehrstellen sollen im Rahmen einer sogenannten Verbundausbildung angeboten werden. Konkret heißt das: Die betreffenden Einsteiger werden zwar bei Opel ausgebildet, allerdings für andere Unternehmen.

„Feigenblatt und vergiftetes Geschenk“

Für den Betriebsrat ist der Vorschlag des Managements der Mitarbeiter-Info zufolge keine Verhandlungsgrundlage, sondern eine Provokation. Denn er „würde den Einstieg in den Ausstieg aus der Ausbildung bedeuten“. Opel lässt das nicht gelten: „Die Berufsausbildung hat bei Opel eine große Tradition, die selbstverständlich auch in Zukunft fortgeführt werden wird“, teilte der Hersteller mit. Es liege dem Unternehmen am Herzen, „jungen Nachwuchskräften den Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen“. Zu den genauen Rahmenbedingungen der Berufsausbildung für die kommenden Jahre setze man die Gespräche mit dem Sozialpartner fort.

Verbundausbildung

Bei der Verbundausbildung bilden Betriebe gemeinsam mit anderen Unternehmen oder einem übergeordneten Bildungsträger aus. Vor allem kleine Betriebe haben oft nicht die Möglichkeit, Azubis zu beschäftigen. Entweder, weil sie sich das allein nicht leisten können oder die entsprechenden Maschinen fehlen. Die Verbundausbildung bietet daher kleinen, mittelständischen und stark spezialisierten Unternehmen die Möglichkeit, die Ausbildungsabschnitte, die von einem Betrieb nicht angeboten werden können, auf mehrere zu verteilen. Wie viele Verbundlehrstellen es in Deutschland gibt, wird statistisch nicht erfasst.

Allerdings war aus Sicht der Arbeitnehmervertreter schon die Azubi-Rekrutierung des vergangenen Jahres „blamabel“, auch weil der Einstellungsprozess „verzögert und verschleppt“ worden sei. Die geplante Aufstockung der Ausbildung mit Verbundlehrstellen bezeichnete der Betriebsrat in seiner aktuellen Mitarbeiterinfo nun als „Feigenblatt, um den Aufschrei in der Belegschaft und der Öffentlichkeit möglichst klein zu halten“, sowie als ein „vergiftetes Geschenk“. Verbundausbildung könne man schnell wieder beenden, zumal Lehrstellen, die Opel für andere Unternehmen anbiete, in der Regel nicht der Mitbestimmung durch den Opel-Betriebsrat unterlägen, heißt es dazu in Gewerkschaftskreisen.

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Hohes Durchschnittsalter der Rüsselsheimer Belegschaft

Grundsätzlich ist es nach Ansicht des Betriebsrates zwar akzeptabel, einen Teil der Auszubildenden im Verbund für andere Unternehmen auszubilden. Allerdings müsse der Fokus bei Opel „nach wie vor auf der Ausbildung für das eigene Unternehmen liegen“. Eine Quote von 25 Prozent Verbundlehrstellen sei denkbar. „Alles andere verschärft den Eindruck, dass die Geschäftsleitung systematisch daran arbeitet, die Ausbildung bei Opel zu demontieren“, heißt es im Flugblatt weiter. Jochen Homburg, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall im Bezirk Darmstadt, verwies auf das relativ hohe Durchschnittsalter der Rüsselsheimer Belegschaft: „Wenn man an die Zukunft des Standortes glaubt, muss man dort auch entsprechend ausbilden.“

Verbundausbildung ist in Deutschland gerade im Mittelstand üblich. Opel nutze diese Möglichkeit auch an den Standorten Eisenach und Kaiserslautern, war aus Unternehmenskreisen zu hören. Zudem müsse man den vereinbarten Abbau von deutschlandweit 3.700 Stellen auch bei der Zahl der Ausbildungsplätze berücksichtigen. Die Verbundausbildung biete überdies die Chance, das Ausbildungszentrum in Rüsselsheim mit seinen Ausbildern auszulasten. Der Hersteller beschäftigte nach eigenen Angaben Ende 2018 in Deutschland über alle Lehrjahre hinweg 600 Azubis, davon mehr als 400 in Rüsselsheim.

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